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Arzneimittelinteraktionen

Stand Oktober 2022
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1Zusammenfassung

Arzneimittelinteraktionen können sowohl zwischen verschiedenen Arzneimitteln auftreten als auch zwischen Arzneimitteln und Nahrungs- oder Genussmitteln. Häufig werden Arzneimittelinteraktionen als unerwünscht bezeichnet, es gibt jedoch auch solche, die bewusst therapeutisch genutzt werden. Als Beispiel seien hier Kombinationschemotherapien oder die Kombination des starken Cytochrom-P-450-Inhibitors Ritonavir mit anderen antiretroviralen Arzneistoffen (Proteaseinhibitoren) genannt, um deren Exposition zu erhöhen.

Das Potenzial für unerwünschte Arzneimittelinteraktionen in der Onkologie hat mit der wachsenden Anzahl verschiedener Substanzklassen und der immer größeren Komplexität der Pharmakotherapie schwer kranker Patienten erheblich zugenommen. Die Kenntnisse um solche Interaktionen sind in den letzten Jahren gestiegen – nicht zuletzt durch eindrucksvolle Beispiele aus der klinischen Praxis (z.B. erhebliche Toxizitäten bei gleichzeitiger Verwendung von Vincristin und Azol-Antimykotika oder von hochdosiertem Methotrexat (MTX) mit Arzneistoffen, die um die MTX-Ausscheidung konkurrieren oder andererseits der Wirkungsverlust von Carbapenem-Antibiotika bei gleichzeitiger Anwendung von Valproat).

Obwohl inzwischen die Verwendung von Interaktionsdatenbanken (ggf. in Verbindung mit einem elektronischen Arzneimittel-Verordnungssystem) weit verbreitet ist, ist es im klinischen Alltag nahezu unmöglich, alle klinisch relevanten Interaktionen am Patienten zu überblicken. Im Folgenden sollen daher die Mechanismen von Arzneimittelinteraktionen sowie allgemeine Grundsätze zu ihrer Vermeidung in der klinischen Praxis vermittelt werden.

Grundsätze zur Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelinteraktionen:

  • Vermeidung von Substanzen mit Interaktionspotenzial, wenn nicht unbedingt erforderlich

  • Auswahl von Substanzen mit dem niedrigsten Potenzial für bekannte Interaktionen

  • Berücksichtigung von Grunderkrankung und eventuelle Organfunktionseinschränkungen

  • Vermeidung von Substanzen mit Potenzial für schwere unerwünschte Wirkungen

  • Beachtung möglicher überlappender Nebenwirkungen bei der nicht vermeidbaren Kombination entsprechender Substanzen

Die Reduktion bzw. Vermeidung von Arzneimittelinteraktionen ist ein zunehmend wichtiges Ziel der Pharmakotherapie von Patienten mit komplexen Grunderkrankungen. Die Kenntnis des Therapeuten über Mechanismen von Arzneimittelinteraktionen, von Substanzklassen und Einzelsubstanzen mit hohem Interaktionspotential sowie die in Tabelle1 dargelegten allgemeinen Grundsätze zu ihrer Vermeidung im klinischen Alltag sind ein wesentlicher Schritt, um unerwünschte Arzneimittelinteraktionen zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der kontinuierlichen oralen Therapie zu, da sich unter diesen Bedingungen unerwünschte Interaktionen besonders häufig entwickeln können und typischerweise schlechter kontrolliert werden können.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Bei gleichzeitiger Applikation zweier oder mehrerer Arzneistoffe sind zahlreiche Effekte möglich, die sowohl die qualitative als auch die quantitative Wirkung der Einzelstoffe beeinflussen können. Die Folgen sind entweder ein unzureichender Effekt (bei verminderter Exposition) oder Toxizität (bei erhöhter Exposition). Grundsätzlich können physikochemische sowie pharmakokinetische und pharmakodynamische Wechselwirkungen unterschieden werden, siehe Tabelle 1.

Tabelle 1: Übersicht über die Arten von Arzneimittel-Interaktionen 

Physikochemische (In-vitro-) Interaktionen

Pharmakokinetische Interaktionen

Pharmakodynamische Interaktionen

Veränderung der Löslichkeit, Komplexbildung, oxidative und Adsorptionsprozesse bei Verwendung von:

  • Mischspritzen, Mischinfusionen

  • Infusionsmischungen im Schlauchsystem

  • Mischlösungen mit parenteraler Ernährung

  • Mischungen mit enteraler Ernährung

  • oder gleichzeitiger oraler Einnahme

Absorption

Aufnahme aus dem

Magen-Darm-Trakt

 

Distribution

Verteilung in Kompartimenten,

Plasma-Proteinbindung

 

Metabolisierung

Induktion/Inhibition der Metabolisierung

 

Elimination

Induktion/Inhibition der Ausscheidung (Transportproteine)

am Rezeptor/Erfolgsorgan,

im Regelkreis:

  • Synergismus

  • Antagonismus

2.1.1Physikochemische Interaktionen

Wechselwirkungen von Arzneimitteln sind bereits vor Aufnahme in den Körper möglich, wenn Medikamente zur parenteralen oder enteralen Verabreichung gleichzeitig über denselben Zugang bzw. über eine Sonde miteinander vermischt verabreicht werden. Im günstigeren Fall resultieren physikalische Veränderungen wie Ausflockung, Trübung, Phasentrennung oder Gasbildung, die mit bloßem Auge gut erkennbar sind. Chemische Reaktionen wie Oxidation, Reduktion, Komplexbildung verlaufen hingegen in den meisten Fällen unsichtbar. Das Ausmaß physikalisch-physikalisch-chemischer Wechselwirkungen ist unterschiedlich und wird von Variablen wie Kontaktzeit und Konzentration bzw. Stabilität der Trägerlösung beeinflusst. Mögliche pharmakologische Konsequenzen sind die Inaktivierung oder Veränderung der therapeutischen Wirkung einschließlich toxischer Effekte.

2.1.2Pharmakokinetische Interaktionen

In vivo können Arzneimittelinteraktionen die Pharmakokinetik der Einzelsubstanzen (Resorption, Verteilung, Metabolisierung sowie Elimination) betreffen. Grunderkrankung, Alter, Geschlecht, pH-Wert-Verschiebungen im Magen oder im Urin, Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt, Veränderungen der Plasmaproteine oder Interaktionen mit Enzymen können das Auftreten von Wechselwirkungen zusätzlich begünstigen. Pharmakokinetische Wechselwirkungen sind während der gesamten Passage eines Arzneistoffs möglich und werden unterteilt in Resorptions-, Verteilungs-, Metabolisierungs- und Eliminationsinteraktionen.

2.1.3Resorptionsinteraktionen

Bei peroraler Gabe haben Änderungen der Kinetik der Aufnahme bzw. der insgesamt resorbierten Menge eines Arzneistoffs Auswirkungen auf den Plasmaspiegel. Potenziell besteht die Gefahr, dass wirksame Zielkonzentrationen zu langsam aufgebaut bzw. gar nicht erreicht werden.

Der pH-Wert im Magen beeinflusst die Resorptionsquote mancher Substanzen, da er ihren Dissoziationsgrad und ihren passiven Transport in die Zellen bzw. die Blutbahn bestimmt. Schwach dissoziierte (ionisierte) Substanzen werden besser aufgenommen als stark dissoziierte.

Die gleichzeitige Applikation von Antazida, H2-Antagonisten oder insbesondere Protonenpumpeninhibitoren vermindert die Resorption zahlreicher Arzneistoffe. Für die Onkologie ist hier an erster Stelle die Gruppe der Tyrosinkinase-Inhibitoren zu nennen, von denen zahlreiche Vertreter eine pH-Wert-abhängige Resorption aufweisen. Ist eine gleichzeitige Medikation unumgänglich, kann in manchen Fällen die zeitlich versetzte Einnahme die Resorptionsquote erhöhen.

Eine Beschleunigung der Magen-Darm-Passage, z. B. durch das Prokinetikum Metoclopramid, kann Einfluss auf Geschwindigkeit und Ausmaß der Resorption von Arzneistoffen haben und muss gegebenenfalls berücksichtigt werden.

Ein wichtiges Beispiel für Interaktionen durch Komplexierung mit mehrwertigen Kationen ist die gleichzeitige orale Applikation von L-Thyroxin oder Fluorochinolonen (Mercaptopurin, Estramustin) mit polyvalenten Kationen wie Al3+, Ca2+, Fe2+ oder Mg2+, was zu einer klinisch relevanten Verminderung ihrer Plasmakonzentrationen um bis zu 50% führt.

2.1.4Verteilungsinteraktionen

Nach der Resorption eines Arzneistoffs erfolgt seine Verteilung im Körper. Die chemische Struktur des Arzneistoffes entscheidet über seine Affinität zu Proteinen in Plasma und Gewebe. Bei Arzneistoffen mit hoher Plasmaproteinbindung kommt es zu einer Art Depoteffekt, da nur die ungebundene Substanzmenge zum pharmakologischen Effekt beiträgt. Es herrscht ein Gleichgewicht zwischen ungebundener und gebundener Substanz; wird Arzneistoff aus dem Körper ausgeschieden, so verlässt gebundene Substanz die Proteinbindung und steht in wirksamer Form zu Verfügung. Konkurrieren zwei Arzneistoffe um das im Plasma vorhandene Albumin oder andere Plasmaproteine, kann der Arzneistoff mit höherer Affinität den mit schwächerer Affinität aus seiner Plasmaproteinbindung verdrängen.

Dadurch wird dessen ungebundener Anteil erhöht, was mit stärkeren erwünschten oder unerwünschten pharmakologischen Wirkungen sowie einer rascheren Metabolisierung und Exkretion verbunden sein kann. Antimikrobielle Substanzen mit ausgeprägter Plasmaproteinbindung sind z. B. die Penizilline. Von besonderem Interesse sind solche Interaktionen bei Arzneistoffen mit steilen Dosis-Wirkungskurven und geringer therapeutischer Breite sowie bei Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz sowie bereits vorgeschädigten Zielorganen.

2.1.5Metabolisierungsinteraktionen

Wird der Metabolismus eines Arzneistoffs beeinflusst, so verändert sich seine Halbwertszeit. Ein beschleunigter Abbau führt zu einer Verkürzung der Wirkdauer, während ein verlangsamter Metabolismus eine Kumulation der Substanz auslösen kann. Arzneistoffe können die Aktivität zahlreicher Enzyme im Körper verändern oder als deren Substrate auftreten. Häufig wird die Synthese solcher Enzyme in Gegenwart von Arzneistoffen angeregt oder gehemmt. Das Phänomen tritt insbesondere an Enzymen der Leber, aber auch an anderen Organen auf.

Von großer Bedeutung für zahlreiche Interaktionen und die Wirkung von Arzneistoffen sind die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems (CYP450). Das insbesondere in der Leber angesiedelte mischfunktionelle Monooxygenase-System dient der Biotransformation von Substanzen und der Synthese körpereigener Verbindungen, wie z.B. den Steroiden. Diese Phase-I-Reaktionen transformieren lipophile Moleküle durch Oxidation, Reduktion oder Hydrolyse in polarere und hydrophilere Moleküle. Die Zahl der dem CYP450 zugeordneten Isoenzyme ist hoch (>50 Vertreter). Sie werden nach ihrer Aminosäure-Sequenz und ihren Substrat- und Inhibitoreigenschaften in Familien und Unterfamilien klassifiziert. Die Subfamilie CYP3A gilt derzeit als wichtigste Enzym-Gruppe zur oxidativen Metabolisierung lipophiler Arzneistoffe in Leber und Dünndarm. Häufig werden diese bereits vor Erreichen der systemischen Zirkulation degradiert (First-pass-Effekt). Daher ist der im Darm absorbierte Anteil der Dosis (Absorptionsquote) größer als der in der systemischen Zirkulation ankommende Anteil (Bioverfügbarkeit). Beeinflussungen dieses Systems verändern die Bioverfügbarkeit und/oder Elimination vieler peroral applizierter, vor allem lipophiler Substanzen.

Häufig erfolgt die Induktion über die Aktivierung eines Rezeptors. Dieser verbindet sich mit dem Induktor und transloziert als Komplex zum Zellkern, um dort eine vermehrte Synthese verschiedener Enzyme auszulösen. Durch die Induktion werden dann Enzyme verstärkt angeboten. Der Effekt eines Induktors tritt in der Regel mit einer zeitlichen Verzögerung ein und hält auch nach dem Absetzten des Induktors noch an, abhängig von der Halbwertzeit der Enzyme. Beispiele für Enzyminduktoren sind u. a. Carbamazepin, Enzalutamid, Rifampicin, Phenobarbital, Phenytoin oder Johanniskraut.

Die Inhibition von CYP-Enzymen erfolgt, sobald der Hemmstoff im entsprechenden Gewebe angeflutet ist, kann also bei parenteraler Applikation innerhalb von Sekunden stattfinden. Die Dauer richtet sich nach der Art der Inhibition (kompetitiv oder irreversibel) sowie der Halbwertzeit des Inhibitors. Klassische Inhibitoren sind unter anderen die antimykotischen Azole, Idelalisib, Makrolide (besonders Clarithromycin) oder Proteaseinhibitoren (z.B. Darunavir, Ritonavir, Lopinavir) oder Inhaltsstoffe der Grapefruit (irreversible Hemmung, die mindestens fünf Tage anhält).

Interaktionen können auch durch Wechselwirkungen mit membranständigen Transportern wie dem P-Glykoprotein (P-gp) oder organischen Anionentransportern (OATP) ausgelöst werden. Viele Arzneistoffe, die durch CYP3A4 metabolisiert werden, sind auch Substrate für P-gp. Dies erklärt pharmakokinetische Wechselwirkungen mit Arzneistoffen, die nicht oder kaum biotransformiert werden. Besonders betroffen sind Arzneistoffe mit hohem First-Pass-Effekt wie Immunsuppressiva oder stark metabolisierte HIV-Proteaseinhibitoren: Da der Firstpass-Effekt sowohl durch Biotransformation als auch durch P-gp verursacht ist, können bereits geringe Funktionsänderungen große Variationen von Bioverfügbarkeit und Elimination bedingen. Die gleichzeitige Gabe dieser Substanzen mit Induktoren oder Inhibitoren des P-gp birgt daher ein besonders hohes Interaktionsrisiko, siehe Kapitel 3.9.

2.1.6Eliminationsinteraktionen

Substanzen mit überwiegend renaler Elimination können sich durch unterschiedliche Mechanismen gegenseitig in ihrer Elimination beeinflussen. So führt eine pH-Verschiebung des Urins zu einer Veränderung der tubulären Rückresorption (passive Diffusion) von Arzneistoffen. Schwache Säuren wie Penicilline oder Methotrexat werden in undissoziierter Form (niedriger pH-Wert) besser rückresorbiert und verbleiben dadurch länger im Organismus. Bei hohem pH-Wert, zum Beispiel nach Alkalisierung, wird ihre Rückresorption hingegen vermindert und ihre Elimination beschleunigt. Weitere Mechanismen für Interaktionen auf renaler Ebene sind die kompetitive Nutzung von aktiven tubulären Exkretionssystemen (Beispiel: Kombination von Probenecid und Cidofovir) sowie die in ihrer Bedeutung noch nicht vollständig verstandene Inhibition von tubulären P-gp Transportern.

2.1.7Pharmakodynamische Interaktionen

Unter pharmakodynamischen Interaktionen werden solche Interaktionen verstanden, die in einer direkten Wechselwirkung an der molekularen Endstrecke des pharmakologischen Effektes resultieren.

Unterschieden werden synergistische von antagonistischen Effekten; beim Synergismus werden Wirkungen additiv oder überadditiv (überproportional) verstärkt, beim Antagonismus kommt es zu einer Abschwächung bzw. Aufhebung der Wirkung. Beim Angriff am gleichen Rezeptor spricht man von kompetitiven (konkurrierenden), bei unterschiedlichen Rezeptortypen von funktionellen Synergismen bzw. Antagonismen. Beim funktionellen Antagonismus lösen zwei Agonisten an unterschiedlichen Rezeptoren gegensinnige Antworten (Effekte) aus. Pharmakodynamische Interaktionen etablierter Substanzen sind in der Regel gut untersucht und dokumentiert. Sie unterliegen weniger interindividuellen Schwankungen und sind meist gut vorhersehbar.

3Spezifische Interaktionen

3.1Methodik

Die Tabellen ab Kapitel 3.2 enthalten eine Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren der wichtigsten Stoffwechselenzyme und Transportproteine. Die Auswahl erfolgte entsprechend der Leitlinie zur Untersuchung von Arzneimittelwechselwirkungen im Rahmen der Arzneimittelentwicklung der FDA [1].

Als sensitive bzw. moderat sensitive Substrate für Stoffwechselenzyme gelten Arzneistoffe, deren Bioverfügbarkeit in klinischen Studien durch die gemeinsame Verabreichung starker Hemmstoffe um mindestens das Fünffache bzw. zwischen dem Zweifache und dem Fünffachen ansteigen. Klinisch relevante Substrate für Transportproteine sind Arzneistoffe, die in vitro durch Transportproteine transportiert werden, aber keinem relevantem Stoffwechsel unterliegen, und deren Bioverfügbarkeit in klinischen Studien durch Hemmstoffe um mindestens das Zweifache gesteigert wird.

Inhibitoren von Stoffwechselenzymen gelten als stark, moderat oder schwach, wenn die Bioverfügbarkeit eines sensitiven Substrates des jeweiligen Stoffwechselenzyms in klinischen Studien durch den Inhibitor um mindestens das Fünffache, zwischen dem Zweifachen und dem Fünffachen oder zwischen dem 1,25-Fachen und dem Zweifachen gesteigert wird. Als klinische relevante Inhibitoren von Transportproteinen gelten Arzneistoffe, die in vitro die Aktivität des jeweiligen Transportproteins hemmen und in klinischen Studien die Bioverfügbarkeit eines relevanten Substrates um mindestens das Zweifache steigern.

Induktoren von Stoffwechselenzymen gelten als stark, moderat oder schwach, wenn sie in klinischen Studien die Bioverfügbarkeit sensitiver Substrate um mindestens 80%, zwischen 50% und 80% oder zwischen 20% und 50% herabsetzen. Arzneistoffe gelten als klinisch relevante Induktoren von Transportproteinen, wenn sie die Bioverfügbarkeit eines relevanten Substrates des jeweiligen Transportproteins um mindestens 20% herabsetzen.

3.2Cytochrom P450 (CYP) 1A2

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 1A2-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP1A2 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Clozapin*

Aciclovir

Phenytoin*

Coffein

Allopurinol

Rifampicin*

Duloxetin*

Cimetidin*

Ritonavir*

Pirfenidon

Ciprofloxacin*

Teriflunomid*

Theophyllin

Fluvoxamin*

 

Tizanidin*

Methoxsalen

 

 

Mexiletin

 

 

Östrogene

 

 

Peginterferon alpha-2a

 

Legende:

sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

3.3Cytochrom P450 (CYP) 2B6

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 2B6-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tabelle 3: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP2B6 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Bupropion*

Clopidogrel*

Carbamazepin*

Efavirenz*

Tenofovir

Efavirenz*

 

Ticlopidin*

Nevirapin

 

Voriconazol*

Rifampicin*

 

 

Ritonavir*

Legende:

Sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

3.4Cytochrom P450 (CYP) 2C8

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 2C8-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 4 zusammengefasst.

Tabelle 4: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP2C8 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Montelukast

Clopidogrel*

Rifampicin*

Pioglitazon

Deferasirox

 

Repaglinid

Gemfibrozil

 

Rosiglitazon

Teriflunomid*

 

 

Trimethoprim

 

Legende:

sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

3.5Cytochrom P450 (CYP) 2C9

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 2C9-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 5 zusammengefasst.

Tabelle 5: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP2C9 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Celecoxib*

Amiodaron*

Apalutamid*

Glimepirid

Fluconazol*

Aprepitant*

Phenytoin*

Fluvastatin

Carbamazepin*

Tolbutamid

Fluvoxamin*

Enzalutamid*

Warfarin

Miconazol

Rifampicin*

 

Voriconazol*

Ritonavir*

Legende:

sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

3.6Cytochrom P450 (CYP) 2C19

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 2C19-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 6 zusammengefasst.

Tabelle 6: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP2C19 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Diazepam

Felbamat*

Apalutamid*

Lansoprazol*

Fluconazol*

Efavirenz*

Omeprazol*

Fluoxetin*

Enzalutamid*

Rabeprazol

Fluvoxamin*

Phenytoin*

Voriconazol*

Omeprazol*

Rifampicin*

 

Ticlopidin*

Ritonavir*

 

Voriconazol*

 

Legende:

sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

3.7Cytochrom P450 (CYP) 2D6

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 2D6-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 7 zusammengefasst.

Tabelle 7: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP2D6 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Atomoxetin*

Abirateron*

 

Desipramin*

Amiodaron*

 

Dextromethorphan

Bupropion*

 

Eliglustat*

Celecoxib*

 

Imipramin*

Chinidin*

 

Metoprolol

Cimetidin*

 

Nebivolol

Cinacalcet

 

Nortriptylin*

Clobazam

 

Perphenazin*

Cobicistat

 

Propafenon*

Duloxetin*

 

Propranolol

Escitalopram*

 

Tolterodin*

Fluoxetin*

 

Tramadol*

Fluvoxamin*

 

Trimipramin*

Mirabegron*

 

R-Venlafaxin

Paroxetin*

 

S-Venlafaxin

Ritonavir*

 

 

Sertralin*

 

 

Terbinafin

 

 

Vemurafenib*

 

Legende:

sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

3.8Cytochrom P450 (CYP) 3A4

Arzneistoffe, die an Interaktionen über den Cytochrom P450 3A4-Stoffwechselweg beteiligt sein können, sind in Tabelle 8 zusammengefasst.

Tabelle 8: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des CYP3A4 

Substrate

Inhibitoren

Induktoren

Alfentanil

Aprepitant*

Apalutamid*

Alprazolam

Boceprevir

Bosentan

Aprepitant*

Ciclosporin

Carbamazepin*

Atorvastatin

Cimetidin*

Efavirenz*

Avanafil

Ciprofloxacin*

Enzalutamid*

Budesonid

Clarithromycin*

Etravirin

Buspiron

Clotrimazol

Johanniskraut*#

Colchicin

Cobicistat*

Mitotan

Darunavir

Crizotinib*

Modafinil

Dasatinib*

Diltiazem

Phenobarbital

Dronedaron*

Dronedaron*

Phenytoin*

Ebastin

Erythromycin*

Primidon

Eliglustat*

Fluconazol*

Rifampicin*

Eplerenon

Fluvoxamin*

Rufinamid

Everolimus

Fosaprepitant

 

Felodipin

Idelalisib

 

Ibrutinib

Imatinib

 

Indinavir

Itraconazol*

 

Lovastatin

Ivacaftor

 

Maraviroc

Ketoconazol*

 

Midazolam

Posaconazol*

 

Naloxegol

Ranitidin

 

Nisoldipin

Ritonavir*

 

Pimozid*

Telaprevir*

 

Quetiapin*

Telithromycin*

 

Rilpivirin*

Ticagrelor

 

Rivaroxaban

Verapamil

 

Sildenafil

Voriconazol*

 

Simvastatin

 

 

Sirolimus

 

 

Tacrolimus*

 

 

Tadalafil

 

 

Ticagrelor

 

 

Tipranavir

 

 

Tolvaptan

 

 

Triazolam

 

 

Vardenafil*

 

 

Legende:

sensitives Substrat; starker Inhibitor/Induktor

moderat sensitives Substrat; moderater Inhibitor/Induktor

schwacher Inhibitor/Induktor

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

#Der Induktionseffekt von Johanniskraut ist Präparate-abhängig und variiert je nach Gehalt an Hyperforin.

3.9P-Glykoprotein (P-gp)

Arzneistoffe, die an Interaktionen über das Transportprotein P-Glykoprotein (P-gp) beteiligt sein können, sind in Tabelle 9 zusammengefasst [2].

Tabelle 9: Auswahl klinisch relevanter Substrate, Inhibitoren und Induktoren des P-gp [2] 

Substrate#

Inhibitoren#

Induktoren#

Dabigatran

Amiodaron*

Carbamazepin

Digoxin

Carvedilol

Johanniskraut##*

Fexofenadin

Chinidin*

Phenytoin

 

Clarithromycin*

Rifampicin

 

Dronedaron*

 

 

Itraconazol*

 

 

Lapatinib*

 

 

Propafenon*

 

 

Ranolazin*

 

 

Ritonavir*

 

 

Telaprevir*

 

 

Verapamil

 

* Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.
# Die Daten zur Intensität der Interaktionen sind nicht ausreichend für eine Graduierung wie in den vorhergehenden Tabellen.
## Der Induktionseffekt von Johanniskraut ist Präparate-abhängig und variiert je nach Gehalt an Hyperforin.

4Spezifische Nebenwirkungen

4.1QT-Zeit-Verlängerung

Herzrhythmusstörungen können in vielerlei Ausprägungen auftreten. Die Tachykardie ist durch einen abnormal schnellen, die Bradykardie durch einen abnormal langsamen Herzschlag gekennzeichnet. Aber auch bei normaler Herzfrequenz können Störungen des Herzrhythmus, z.B. in Form von Extrasystolen oder Ersatzrhythmen, die nicht vom Sinusknoten gebildet werden, auftreten.

Die Dauer der elektrischen Aktivität, welche den Herzschlag steuert, wird im Elektrokardiogramm (EGK) durch das QT-Intervall abgebildet. Bei einer vorliegenden QT-Zeit-Verlängerung ist dieses Intervall abnormal verlängert. Dieses Syndrom kann angeboren sein oder durch äußere Einflüsse wie eine Verschiebung von Elektrolyten oder die Einnahme von Arzneimitteln ausgelöst werden. Die Gefahr bei einer QT-Zeit-Verlängerung besteht im Auftreten von Torsades de Pointes (TdP), einer polymorphen ventrikulären Arrhythmie, die zum plötzlichen Herztod führen kann.

Zahlreiche Arzneistoffe können z.B. durch Blockade von Kaliumkanälen das QT-Intervall verlängern [4]. Die Risiken werden folgendermaßen klassifiziert:

  • Bekanntes Risiko: Ein bekanntes Risiko für TdP liegt dann vor, wenn der betreffende Arzneistoff das QT-Intervall verlängert und mit einem Risiko für TdP verbunden ist, selbst wenn er wie empfohlen angewendet wird.

  • Mögliches Risiko: Ein mögliches Risiko für TdP liegt vor, wenn der jeweilige Arzneistoff grundsätzlich in der Lage ist das QT-Intervall zu verlängern, es aber keine Evidenz für ein Risiko für TdP gibt, wenn der Arzneistoff wie empfohlen eingenommen wird.

  • Bedingtes Risiko: Ein bedingtes Risiko für TdP liegt vor, wenn für einen Arzneistoff ein Risiko für TdP besteht, dieses aber nur unter bestimmten Einnahmebedingungen relevant ist (z.B. Überdosierung, Elektrolytstörungen, Arzneimittelinteraktionen) oder das Arzneimittel Bedingungen schafft, die das Auftreten von TdP erleichtern oder verursachen können (z.B. Hemmung des Abbaus QT-verlängernder Arzneistoffe, Verursachen von Elektrolytverschiebungen).

  • Spezielles Risiko: Ein spezielles Risiko für TdP liegt vor, wenn ein Arzneistoff zwar nicht per se eine Verlängerung des QT-Intervalls verursacht, aufgrund seiner sonstigen Wirkungen aber ein hohes Risiko für TdP besteht.

Arzneimittelinteraktionen mit möglicher QT-Zeitverlängerung sind in Tabelle 10 nach den verschiedenen Risikokategorien zusammengefasst [3].

Tabelle 10: Arzneimittel mit möglicher QT-Zeitverlängerung und erhöhtem Risiko von Torsades de Pointes [3] 

Arzneistoff und Risikokategorie

Abirateron*

Alfuzosin

Amantadin

Amiodaron*

Amisulprid

Amitriptylin

Amphetamin

Amphotericin B

Amsacrin

Anagrelid

Apalutamid*

Apomorphin

Aripiprazol

Arsentrioxid

Artemether/Lumefantrin

Asenapin

Astemizol

Atazanavir

Atomoxetin*

Azithromycin

Bedaquilin

Bendamustin

Bendroflumethiazid

Benperidol

Bortezomib

Bosutinib

Buprenorphin

Cabozantinib

Capecitabin

Ceritinib

Chinidin*

Chinidinsulfat

Chloralhydrat

Chloroquin

Chlorpromazin

Cilostazol

Cimetidin*

Ciprofloxacin*

Citalopram

Clarithromycin*

Clomipramin

Clozapin*

Cobimetinib

Crizotinib*

Dabrafenib

Dasatinib*

Degarelix

Delamanid

Desipramin*

Dexmedetomidin

Dexmethylphenidat

Dexmethylphenidat (Dexamphetamin)

Dextromethorphan/Chinidin

Diphenhydramin

Dobutamin

Dolasetron

Domperidon

Donepezil

Dopamin

Doxepin

Dronedaron*

Droperidol

Efavirenz*

Eliglustat*

Encorafenib

Ephedrin

Epinephrin (Adrenalin)

Epirubicin

Eribulin Mesylat

Erythromycin*

Escitalopram*

Esomeprazol

Famotidin

Felbamat*

Fingolimod

Flecainid

Fluconazol*

Fluorouracil (5-FU)

Fluoxetin*

Flupentixol

Fluvoxamin*

Formoterol

Furosemid

Galantamin

Granisetron

Haloperidol

Hydrochlorothiazid

Imipramin*

Indacaterol

Indapamid

Inotuzumab Ozogamicin

Isradipin

Itraconazol*

Ivabradin

Ketoconazol*

Kokain

Lansoprazol*

Lapatinib*

Lenvatinib

Leuprorelin

Levofloxacin

Levomepromazin

Levomethadylacetat / Levomethadon HCl

Levosulpirid

Lisdexamphetamin

Lithium

Lofexidin

Loperamid

Lopinavir/Ritonavir*

Maprotilin

Melperon

Memantin

Methadon

Methamphetamin

Methylphenidat

Metoclopramid

Metronidazol

Mianserin

Midodrin

Midostaurin

Mifepriston

Mirabegron*

Mirtazapin

Moexipril/Hydrochlorothiazid

Moxifloxacin

Necitumumab

Nelfinavir

Nicardipin

Nilotinib

Norepinephrin

Norfloxacin

Nortriptylin*

Nusinersen

Ofloxacin

Olanzapin

Olodaterol

Omeprazol*

Ondansetron

Orciprenalin

Osimertinib

Oxaliplatin

Oxymetazolin

Oxytocin

Paliperidon

Palonosetron

Panobinostat

Pantoprazol

Papaverin HCl

Paroxetin*

Pasireotid

Pazopanib

Pentamidin

Perphenazin*

Phenylephrin

Phenylpropanolamin

Pimozid*

Pipamperon

Piperacillin/Tazobactam

Posaconazol*

Primaquinphosphat

Probucol

Procainamid

Promethazin

Propafenon*

Propofol

Prothipendyl

Pseudoephedrin

Quetiapin*

Ranolazin*

Ribociclib

Rilpivirin*

Risperidon

Roxithromycin

Salbutamol

Salmeterol

Saquinavir

Sertindol

Sertralin*

Sevofluran

Solifenacin

Sorafenib

Sotalol

Sparfloxacin

Sulpirid

Sunitinib

Tacrolimus*

Tamoxifen

Telaprevir*

Telavancin

Telithromycin*

Terbutalin

Terfenadin

Terlipressin

Tetrabenazin

Thioridazin

Tiaprid

Tizanidin*

Tolterodin*

Torasemid

Toremifen

Tramadol*

Trazodon

Trimipramin*

Tropisetron

Vandetanib

Vardenafil*

Vemurafenib*

Venlafaxin

Vilanterol/Fluticason

Voriconazol*

Vorinostat

Xylometazolin

Ziprasidon

Zuclopenthixol

Legende:

Bekannt: Ein bekanntes Risiko für TdP liegt vor, wenn der betreffende Arzneistoff das QT-Intervall verlängert und mit einem Risiko für TdP verbunden ist, selbst wenn er wie empfohlen angewendet wird.

Möglich: Ein mögliches Risiko für TdP liegt vor, wenn der jeweilige Arzneistoff grundsätzlich in der Lage ist das QT-Intervall zu verlängern, es aber keine Evidenz für ein Risiko für TdP gibt, wenn der Arzneistoff wie empfohlen eingenommen wird.

Bedingt: Ein bedingtes Risiko für TdP liegt vor, wenn für einen Arzneistoff ein Risiko für TdP besteht, dieses aber nur unter bestimmten Einnahmebedingungen relevant ist (z.B. Überdosierung, Elektrolytstörungen, Arzneimittelinteraktionen) oder das Arzneimittel Bedingungen schafft, die das Auftreten von TdP erleichtern oder verursachen können (z.B. Hemmung des Abbaus QT-verlängernder Arzneistoffe, Verursachen von Elektrolytverschiebungen).

Speziell: Ein spezielles Risiko für TdP liegt vor, wenn ein Arzneistoff zwar nicht per se eine Verlängerung des QT-Intervalls verursacht, aufgrund seiner sonstigen Wirkungen aber ein hohes Risiko für TdP besteht.

*Zu diesem Arzneistoff liegen Hinweise für Interaktionen über weitere Stoffwechselwege vor. Bitte nutzen Sie die Suchfunktion innerhalb dieses Dokumentes.

Für alle Risikostufen gilt, dass die Anwendung dieser Arzneistoffe bei Patienten mit angeborenem Long-QT-Syndrom vermieden werden sollen.

Das Risiko für das Auftreten von TdP ist grundsätzlich erhöht, wenn das QT-Intervall auf >500 ms verlängert ist. Darüber hinaus sind folgende Faktoren mit einem erhöhten Risiko für TdP verbunden:

  • Bradykardie, vor allem mit gelegentlichen Extrasystolen verbunden mit darauffolgenden Rhythmuspausen

  • Hypokaliämie

  • Hypomagnesiämie

  • Hypokalzämie

  • Gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneistoffe, welche das QT-Intervall verlängern und/oder den Abbau und die Ausscheidung QT-verlängernder Arzneistoffe hemmen

  • TdP stimulierende Ereignisse wie Sport, Emotionen oder die Einnahme von Dopamin, Adrenalin oder Salbutamol

  • Frauen tragen ein höheres Risiko als Männer

  • Familiäre, angeborene Verlängerung des QT-Intervalls

Muss ein Arzneimittel angewendet werden, das mit einem Risiko für TdP verbunden ist, sollten Maßnahmen ergriffen werden, die das Risiko senken:

  • Ableitung eines 12-Kanal-EKGs vor Beginn der Therapie

  • Bestimmung von Serum-Elektrolyten (Kalium, Calcium, Magnesium) und Serum-Kreatinin

  • Korrektur bestehender Elektrolytverschiebungen

  • Prüfung auf andere Arzneistoffe mit QT-verlängernder Wirkung und ggf. kritische Evaluation

Patienten mit Risikofaktoren für eine QT-Verlängerung oder Risikofaktoren für TdP sollten überwacht und einer kontinuierlichen Herzüberwachung (EKG) unterzogen werden.

4.2Verstärkung der Myelotoxizität

Myelotoxische Wirkungen von Arzneistoffen führen zu Schädigungen der Hämatopoese. Diese können die drei Zellreihen des blutbildenden Systems in unterschiedlichem Ausmaß betreffen und somit zu symptomatischen Anämien, Neutropenien und Thrombozytopenien führen, siehe Onkopedia Thrombozytopenie. Bei zytotoxisch wirkenden Onkologika werden diese Wirkungen entweder gezielt therapeutisch genutzt, etwa zur Konditionierung vor einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation oder der Therapie von Leukämien und Lymphomen, oder sie stellt eine kalkulierte Nebenwirkung dar.

Das Risiko für eine schwere und langanhaltende Schädigung der Hämatopoese kann erhöht sein, wenn gleichzeitig mit myelotoxischen Onkologika nicht-onkologische Arzneistoffe angewendet werden, die ebenfalls eine myelotoxische Wirkung besitzen. Arzneistoffe oder Arzneistoffgruppe, die hier besonderer Beachtung bedürfen, sind unter anderem Virustatika (z.B. Abacavir, Didanosin, Ganciclovir, Lamivudin, Valganciclovir, Zidovudin), einige Antimykotika (z.B. liposomales Amphotericin B, Flucytosin), das Immunsuppressivum Azathioprin, das Neuroleptikum Clozapin, das Analgetikum Metamizol und Interferon gamma. Weitere nicht-onkologische Arzneistoffe und Arzneistoffgruppen, für die ein mögliches myelotoxisches Risiko besteht, sind in der Leitlinie Onkopedia Thrombozytopenie beispielhaft aufgelistet. Je nach Ausprägung und Dauer der Zytopenien sind präventive oder therapeutische supportive Maßnahmen erforderlich, wie die Gabe von Antiinfektiva (siehe Onkopedia Supportive Therapie) oder von Wachstumsfaktoren (siehe Onkopedia Prophylaxe infektiöser Komplikationen durch Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren) erforderlich.

4.3Modulation der Immunreaktion

4.3.1Einleitung

Die Immunsuppression ist ein wichtiger Bestandteil onkologischer Therapiestrategien im Rahmen der Therapie z.B. von Leukämien und Lymphomen bzw. im Rahmen der hämatopoetischen Stammzelltransplantation. Werden Patienten gleichzeitig mit nicht-onkologischen Arzneistoffen behandelt, die ebenfalls eine immunsuppressive Wirkung besitzen, kann dies zu schweren Komplikationen führen.

Andererseits ist ein intaktes Immunsystem eine entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Immunonkologika. Werden gleichzeitig in anderen Indikationen Arzneistoffe angewendet, die das Immunsystem supprimieren, kann dies zu einer Beeinträchtigung der Wirksamkeit oder einer Steigerung der Toxizität der Immunonkologika führen, siehe Onkopedia Sekundäre Immundefekte.

4.3.2Tumortherapeutika mit immunsuppressiven Effekten

Die meisten klassischen Zytostatika wirken über ihre unspezifische Wirkung auf sich teilende Zellen immunsuppressiv, siehe auch Kapitel 4.3.1.

Insbesondere folgende als Tumortherapeutika genutzte Substanzklassen weisen stark immunsupprimierende Eigenschaften auf:

  • Alkylantien (z.B. Bendamustin, Busulfan, Cyclophosphamid, Ifosfamid, Temozolomid, Thiotepa, Treosulfan)

  • Anthrazykline (z.B. Doxorubicin, Daunorubicin, Idarubicin, Mitoxanthron)

  • Antimetabolite (z.B. Actinomycin)

  • Folsäureantagonisten (z.B. Methotrexat)

  • Purin- oder Pyrimidinantagonisten (z.B. Cladribin, Fludarabin, 6-Mercaptopurin, Pentostatin, Thioguanin)

  • Antikörper (z.B. Daratumumab, Elotuzumab, Obinutuzumab, Ofatumumab, Rituximab)

Darunter gibt es einige Zytostatika, deren präferentielle zytotoxische Wirkung auf Lymphozyten und damit deren immunsuppressive Effekte explizit ausgenutzt werden. Dazu zählen im Wesentlichen Cyclophosphamid, Fludarabin, Methotrexat und Mitoxantron, die in der Therapie schwerer Verlaufsformen von Autoimmunerkrankungen (z.B. Multiple Sklerose) oder im Rahmen der allogenen Stammzelltransplantation oder vor der Applikation von CAR-T-Zellen zur Lymphodepletion eingesetzt werden.

Eine unerwünschte Folge dieser immunsupprimierenden Eigenschaften ist das Auftreten von Todesfällen wegen progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML), Virus-Reaktivierungen oder -Neuerkrankungen (Hepatitis B, Cytomegalie, Herpes simplex, Varizella zoster). Über diese unerwünschten Wirkungen wurde auch in etlichen Rote-Hand-Briefen informiert.

Vor Beginn der Therapie sollte gegebenenfalls ein Screening mittels Serologie erfolgen, um Risikopatienten zu identifizieren und eine engmaschige Kontrolle oder eine medikamentöse Prophylaxe einzuleiten, siehe Onkopedia Leitlinie antivirale Prophylaxe.

Weitere Onkologika, die Therapie-induzierte Immundefekte verursachen können, sowie Empfehlungen zur Prophylaxe und Therapie sind in der Leitlinie Immundefekte, sekundär aufgeführt.

4.3.3Nicht-onkologische Therapeutika mit immunsuppressiven Effekten

Die Wirkmechanismen der als Immunsuppressiva eingesetzten Arzneistoffe beruhen im Wesentlichen entweder auf der Beeinflussung von Signaltransduktionswegen oder der zytotoxischen Wirkung auf T-Lymphozyten, seltener auch auf B-Lymphozyten. Signaltransduktionswege können entweder über die Hemmung verschiedener Kinasen oder über die Blockade von Rezeptoren beeinflusst werden. Glucocorticoide entfalten ihre immunsupprimierende Wirkung über die Inhibition der Transkription verschiedener pro-inflammatorischer Zytokine. Eine Übersicht wichtiger als Immunsuppressiva eingesetzter Arzneistoffe sowie ihrer Angriffspunkte bzw. Zielstrukturen ist in Tabelle X dargestellt.

Tabelle 11: Anwendungsgebiete und Zielstrukturen wichtiger als Immunsuppressiva eingesetzter Arzneistoffe 

Anwendungsgebiet

Zielstruktur

Wirkstoffe

Asthma bronchiale

IL-abhängige Signalwege

z.B. Benralizumab, Dupilumab, Mepolizumab, Omalizumab, Reslizumab

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

IL-abhängige Signalwege

z.B. Ustekinumab

Lymphozyten

z.B. Vedolizumab

TNF alpha

z.B. Adalimumab

Multiple Sklerose

Lymphozyten

z.B. Alemtuzumab, Fingolimod, Glatirameracetat, Natalizumab, Teriflunomid

Organtransplantation, allogene Stammzelltransplantation

mTOR

z.B. Everolimus, Sirolimus,

IL-abhängige Signalwege

z.B. Basiliximab

Lymphozyten

z.B. Belatacept

 

Calcineurin

Ciclosporin A, Tacrolimus

 

zytotoxisch

Azathioprin, Methotrexat (low-dose), Mycophenolatmofetil

Psoriasis

IL-abhängige Signalwege

z.B. Brodalumab, Gruselkumab, Ixekizumab, Risankizumab, Secukinumab, Tildrakizumab

Psoriasis/ Rheumatoide Arthritis

TNF alpha

z.B. Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Infliximab

zytotoxisch

Methotrexat (low-dose)

Rheumatoide Arthritis

IL-abhängige Signalwege

z.B. Anakinra, Baricitinib, Sarilumab, Tocilizumab

Verschiedene entzündliche Erkrankungen

GC-Rezeptor

z.B. Glucocorticoide,

4.3.4Immunmodulatoren

Checkpoint-Inhibitoren verstärken die T-Zell-Reaktion einschließlich der Immunreaktion gegen den Tumor durch Hemmung der Bindung des PD-1 Rezeptors an seine Liganden (z.B. Nivolumab, Pembrolizumab), des PD-L1 Liganden an seinen Rezeptor (z.B. Atezolizumab, Avelumab) oder durch Hemmung des Oberflächenmoleküls CTLA-4 (z.B. Ipilimumab). Eine systemische Anwendung von Immunsuppressiva oder Glukokortikoiden vor Therapiebeginn mit Checkpoint-Inhibitoren kann die pharmakodynamische Aktivität der Checkpoint-Inhibitoren und damit deren Wirksamkeit beeinträchtigen. Entsprechende Wechselwirkungen könnten auch bei der Anwendung von immunstimulierenden Präparationen von Echinacea (Onkopedia Echinacea) und Viscum (Onkopedia Mistel) auftreten. Umgekehrt können immunstimulierende Substanzen auch die Wirksamkeit von Immunsuppressiva beeinträchtigen.

4.3.5Probiotika

Probiotika, die Lebendkulturen aus Hefen enthalten (z.B. Saccharomyces cerevisiae), sind kontraindiziert bei schwerkranken oder immunsupprimierten Patienten sowie bei Patienten mit einem zentralen Venenkatheter [4]. Es war in der Vergangenheit bei diesen Patientengruppen zu fieberhaften Fungämien gekommen. Gemäß eines Rote-Hand-Briefs von 2018 gilt außerdem folgendes: „Um Kontamination mit den Mikroorganismen über die Hände oder die Raumluft zu vermeiden, dürfen die Beutel und Kapseln nicht in den Krankenzimmern geöffnet werden. Das medizinische Fachpersonal sollte während der Handhabung der Probiotika Handschuhe tragen, diese danach umgehend entsorgen und sich die Hände gründlich waschen.“

Für Probiotika, die Bakterienkulturen enthalten (z.B. Enterococcus ssp, E. coli), ist die Datenlage nicht ganz so eindeutig: Daten liegen überwiegend für Patienten nach Organ- oder Stammzelltransplantation sowie bei kritisch Kranken vor. Insgesamt überwiegen hier die Sicherheitsbedenken gegenüber den Daten zur Wirksamkeit [5].

4.3.6Einfluss auf Impfungen

Zur Verbesserung der Prognose ist es sinnvoll, bei Tumorpatienten einen ausreichenden Impfschutz zu erzielen. Empfehlungen zur Durchführung von Impfungen sind in der Leitlinie Impfung bei Tumorpatienten und in den Empfehlungen der STIKO 2019 [6] zu finden.

5[Kapitel nicht relevant]

6[Kapitel nicht relevant]

7[Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

  1. FDA Clinical Drug Interaction Studies – Cytochrome P450 Enzyme- and Transporter-Mediated Drug Interactions Guidance for Industry, January 2020; last update 05/07/2020; https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/clinical-drug-interaction-studies-cytochrome-p450-enzyme-and-transporter-mediated-drug-interactions; latest approach 15/09/2020.

  2. Elmeliegy M, Vourvahis M, Guo C, Wang DD: Effect of P-glycoprotein (P-gp) Inducers on Exposure of P-gp Substrates: Review of Clinical Drug-Drug Interaction Studies. Clin Pharmacokin. 59:699-714, 2020. DOI:10.1007/s40262-020-00867-1

  3. Woosley, RL, Heise, CW and Romero, KA:  www.Crediblemeds.org,  QTdrugs List, AZCERT, Inc. 1822 Innovation Park Dr., Oro Valley, AZ  85755

  4. Rote Hand Brief Saccharomyces boulardii, https://www.akdae.de/arzneimittelsicherheit/rhb/archiv/2018/20180122

  5. Stadlbauer V: Immunosuppression and probiotics: are they effective and safe? Benef Microbes 6:823-828, 2015. DOI:10.3920/BM2015.0065

  6. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/Impfempfehlungen_node.html

10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Experten

Dr. med. Markus Horneber
Universitätskliniken für Innere Medizin,
Schwerpunkt Onkologie/Hämatologie &
Schwerpunkt Pneumologie,
Klinikum Nürnberg, Paracelsus Med. Privatuniversität
Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1
90491 Nürnberg
PD Dr. Claudia Langebrake
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Klinik u. Poliklinik f. Stammzelltranspl.
Klinik-Apotheke
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Mathias Nietzke
St.-Johannes-Hospital Dortmund
Zentralapotheke - Abteilung Zytostatika
Johannesstr. 9-17
44137 Dortmund
Prof. Dr. rer. nat. Christoph Ritter
Universität Greifswald
Institut für Pharmazie, Klinische Pharmazie
Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 17
17487 Greifswald

16Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten

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Reference:

Quellenangabe:

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