Brustkrebs der Frau
1Was ist das?
1.1Was ist Brustkrebs?
Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor der Frau. Der Krebs geht in der Regel von Brustdrüsengewebe aus. Die häufigste Form wird vom Pathologen als ‚invasives duktales Karzinom‘ bezeichnet. Andere, seltenere Formen sind das invasive lobuläre, das tubuläre, das muzinöse und das medulläre Karzinom. Das duktale Carcinoma in situ (DCIS) und die atypische duktale Hyperplasie (ADH) sind Vorstufen von Brustkrebs. Thema dieses Kapitels ist der invasive Brustkrebs der Frau. Der Brustkrebs des Mannes wird in einem eigenen Kapitel abgehandelt (Brustkrebs des Mannes).
1.1.1Wie häufig ist Brustkrebs bei Frauen?
In Deutschland wird die Zahl der Neuerkrankungen auf 58.000 pro Jahr geschätzt. Brustkrebs macht 29 % aller Krebserkrankungen bei Frauen aus. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 64 Jahren. Die Zahl von Patientinnen war von 1980 bis 2000 langsam angestiegen, in den letzten Jahren ist die Zahl etwa gleich geblieben.
1.1.2Wie entsteht Brustkrebs?
Das Risiko für eine Erkrankung an Brustkrebs wird durch unterschiedliche Faktoren erhöht. Sie können in die folgenden Gruppen eingeordnet werden:
vererbt (ca. 5 % der Neuerkrankungen)
vermehrtes Auftreten von Brust - und / oder Eierstockkrebs auf einer Seite der Familie, d. h. mütterlicher- oder väterlicherseits
Familien mit Mutationen im BRCA1 oder BRCA2 Gen
Peutz - Jeghers - Syndrom
Ataxia teleangiectasia
Cowden - Syndrom
hormonell
früher Eintritt der Pubertät
späte Eintritt in die Wechseljahre
späte Schwangerschaft
Adipositas, Gewichtszunahme nach den Wechseljahren
Behandlung mit Hormonersatzmedikamenten (HRT) nach den Wechseljahren
erworben
Bestrahlung der Brust im Kindes- oder Jugendalter
hoher Alkoholkonsum
Vorgeschichte: Brustkrebs in der anderen Brust
1.2Gibt es Methoden der Vorbeugung und Früherkennung?
1.2.1Vorbeugung
Die allgemeinen Empfehlungen zur Vorbeugung beziehen sich auf die erworbenen Risikofaktoren:
Übergewicht vermeiden, Gewichtszunahme nach den Wechseljahren vermeiden
regelmäßige, körperliche Bewegung
Verzicht auf hohen Alkoholkonsum
Die Unterdrückung der Wirkung von weiblichen Hormonen vermindert das Risiko von hormonabhängigem Brustkrebs. Dieser Nutzen muss sorgfältig gegen die Nebenwirkungen abgewogen werden. Eine solche Entscheidung hängt ab von der Höhe des Risikos für Brustkrebs, vom Alter der Patientin und vom Risiko für Nebenwirkungen.
1.2.2Früherkennung
Die Brustkrebs - Früherkennung ist in Deutschland anerkannt. Zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der Krebs - Früherkennung für Frauen gehören
jährliche Untersuchung der Brust durch einen Arzt ab dem 30. Lebensjahr (Abtasten)
zweijährliche Mammographie bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren
Die gesetzlichen Voraussetzungen für das Mammographie - Programm (Mammographie-Screening) wurden im Jahre 2002 geschaffen.
2Krankheitszeichen
2.1Welche Krankheitszeichen sind typisch?
Typische Veränderungen der Brust sind
tastbarer Knoten
Hautveränderung über dem Tumor (die Haut sieht wie die Schale einer Apfelsine aus)
Einziehung der Haut
Veränderung der Form der Brust, auch im Vergleich mit der anderen Brust
Einziehung der Brustwarze
Austritt von Flüssigkeit oder von Blut aus der Brustwarze
Rötung und Hitzegefühl in der gesamten Brust beim entzündlichen (inflammatorischen) Brustkrebs
Selten kann sich der Brustkrebs im fortgeschrittenem Stadium auf die ganze Brust ausdehnen und zur offenen Stellen mit Geschwüren führen. In frühen Stadien der Krankheit sind Patientinnen in ihrer Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Wenn die Krankheit fortgeschritten ist, kann es zu Gewichtsabnahme und verminderter Leistungsfähigkeit kommen. Weitere Krankheitszeichen sind Schwellung des Arms bei Befall der Lymphknoten in der Achselhöhle, Schmerzen bei Befall von Knochen, Husten und Luftnot bei Befall von Lunge oder Rippenfell, Gelbsucht bei fortgeschrittenen Lebermetastasen und Nervenausfälle bei Befall des Gehirns.
3Untersuchungen
Quelle: Prof. Dr. U. Fischer, Göttingen
3.1Wie wird Brustkrebs festgestellt?
3.1.1Welche Untersuchungen sind erforderlich?
Die Krankengeschichte und eine komplette körperliche Untersuchung sind Grundlage der weiteren Untersuchungen. Nächstes Ziel ist die Bestätigung oder der Ausschluss des Verdachts auf Brustkrebs. Die Untersuchungen sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Quelle: Prof. Dr. U. Fischer, Göttingen
Wenn ein Brustkrebs sicher festgestellt wurde, schließen sich Untersuchungen zur Ausbreitung der Krankheit (Staging) an, siehe Tabelle 2. Diese umfangreichen Untersuchungen werden nur bei Patientinnen mit einer Tumorgröße ≥ 2 cm empfohlen. Metastasen können in fast allen Teilen des Körpers auftreten. Am häufigsten sind Knochen, Leber und Lunge befallen.
3.1.2Was bedeutet die Stadieneinteilung?
Das Stadium bei Diagnosestellung zeigt an, wie weit ein bösartiger Tumor fortgeschritten ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Einteilung. Durchgesetzt haben sich die TNM Klassifikation und das System der UICC (Union Internationale Contre le Cancer). In der TNM Klassifikation erfolgt die Einteilung nach der Größe des Tumors in der Brust (T), nach dem Befall von Lymphknoten (N) und nach dem Vorliegen von Metastasen in anderen Organen (M). Das System der UICC (Union Internationale Contre le Cancer) fasst Informationen der TNM Klassifikation zusammen und unterteilt die Stadien 0 - IV, siehe Tabelle 3.
Der Befund der Pathologie enthält Aussagen zu weiteren Risikofaktoren:
G - Grading
L - Befall von Lymphgefäßen, Einteilung nach der L-Klassifikation
R - Restzustand nach Operation; Einteilung nach der R-Klassifikation
V - Befall von Blutgefäßen, Einteilung nach der V-Klassifikation
4Behandlung
4.1Welche Formen der Behandlung gibt es?
In frühen Stadien kann operiert, bestrahlt und mit Medikamenten behandelt werden. Eine wichtige Voraussetzung für die Behandlungsempfehlungen ist, dass die Untersuchungsergebnisse ‚stimmen‘. Die S3 Leitlinie enthält umfangreiche Anforderungen zur Sicherung der Qualität von Befunden der Pathologie. Bei einem unklaren Ergebnis kann es auch sinnvoll sein, eine Referenzbegutachtung (Zweitmeinung) zu veranlassen.
Ein Schema für die Entscheidungen über die Erstbehandlung ist in Abbildung 1 dargestellt.
4.1.1Wie wird in frühen Stadien behandelt?
Als frühes Stadium werden alle Tumoren in einem Stadium ≤ IIB nach der UICC Klassifikation bezeichnet. Für eine Berechnung des Rückfallrisikos steht mit ‚Adjuvant Online‘ eine englischsprachige Datenbank im Internet zur Verfügung, siehe Kapitel 8 ‚Wo bekomme ich weitere Informationen?‘
4.1.1.1Operation
4.1.1.1.1Operation der Brust
Grundlage der Behandlung beim Brustkrebs in frühen Stadien ist die Operation des Tumors mit einem Sicherheitsrand von mindestens 1 mm. Der Sicherheitsabstand muss vom Pathologen bestätigt werden, der Befund wird dann in der R Klassifikation als R0 bezeichnet.
Grundsätzlich gibt es zwei Operationsmöglichkeiten: Eine brusterhaltende Operation oder eine radikale Operation. Bezüglich der Überlebenschancen sind diese beiden Methoden gleichwertig. Bei der Mehrzahl von Patientinnen wird heute eine brusterhaltende Operation mit anschließender Bestrahlung durchgeführt.
Gründe für eine brusterhaltende Operation sind
kleiner Tumor, günstiges Verhältnis von Tumorgröße zur Gesamtgröße der Brust
ausreichender Sicherheitsabstand (R0) kann erreicht werden
Gründe für eine radikale Operation sind
Tumor an mehr als einer Stelle in der Brust
ausgedehnte Verkalkungen (auch Mikrokalk) mit Verdacht auf Bösartigkeit in der Mammographie
kein ausreichender Sicherheitsabstand bei einer brusterhaltenden Operation
entzündlicher Brustkrebs
voraussichtlich nicht zufrieden stellendes kosmetisches Ergebnis bei brusterhaltender Operation
Gründe gegen eine Nachbestrahlung nach brusterhaltender Operation
Wunsch der Patientin
Ein Wiederaufbau der Brust kann bei der ersten Operation oder zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden.
4.1.1.1.2Operation der Achselhöhle
Informationen über Metastasen in den Lymphknoten sind wichtig für die Feststellung des Krankheitsstadiums und für die weitere Behandlung. Der normale Abfluss der Lymphe aus der Brust geschieht über die Lymphgefäße und Lymphknoten der Achselhöhle. Früher wurde deshalb bei den meisten Patientinnen eine Operation der Achselhöhle durchgeführt, bei der mindestens 10 Lymphknoten entfernt und untersucht wurden. Heute wird als Standard nur der Wächter - Lymphknoten entfernt, manchmal werden zwei Lymphknoten operiert. Wenn dieser Lymphknoten oder diese Lymphknoten nicht befallen sind, ist die Wahrscheinlichkeit eines Befalls weiterer Lymphknoten der Achselhöhle gering.
Die radikale Operation der Achselhöhle und die Technik der Wächterlymphknoten führen zur gleich guten Kontrolle der Metastasen in der Achselhöhle, die Technik der Wächterlymphknoten hat weniger Nebenwirkungen.
Wenn der oder die Wächterlymphknoten befallen sind, ist eine ausgedehnter Operation der Achselhöhle mit Entfernung von mindestens 10 Lymphknoten aus der ersten und der zweiten Reihe erforderlich. Wenn bei einer Patienten bereits Fernmetastasen bekannt sind, ist die zusätzliche Operation der Achselhöhle nicht erforderlich.
4.1.1.2Bestrahlung
Bei Patientinnen mit brusterhaltender Operation senkt die Bestrahlung der Brust das Risiko für einen Rückfall in der betroffenen Brust. Die Bestrahlung kann auch zur Verlängerung der Überlebenszeit beitragen. Sie sollte 4 - 6 Wochen nach der Operation oder nach Abschluss einer Chemotherapie begonnen werden. Wenn Bestrahlung und Chemotherapie nach einer Operation miteinander kombiniert werden, richtet sich die Reihenfolge der beiden Behandlungsformen nach dem Rückfallrisiko der betroffenen Patientin. Wenn das Risiko für einen Rückfall in der Brust im Vordergrund steht, beginnt die nachfolgende Behandlung mit der Bestrahlung. Wenn das Risiko für Fernmetastasen im Vordergrund steht, beginnt die nachfolgende Behandlung mit der Chemo- oder Antiköpertherapie.
4.1.1.2.1Brust / Brustwand
Bei Patientinnen mit brusterhaltender Operation ist eine ergänzende Bestrahlung der betroffenen Brust erforderlich. Bestrahlt werden die gesamte verbliebene Brust und die angrenzende Brustwand. Über die bestmögliche Technik der Bestrahlung wird aktuell diskutiert. Standard ist die Gabe von insgesamt 50 Gy, verteilt auf 25 Bestrahlungen innerhalb von 5 Wochen. Eine mögliche Alternative ist die Gabe von 40 - 42,5 Gy, verteilt auf 15 - 16 Bestrahlungen innerhalb von 3 Wochen.
Die zusätzliche gezielte Bestrahlung des Tumorbetts (Boost-Bestrahlung) mit 10- 16 Gy führt zu einer weiteren Senkung des Risikos für einen Rückfall in der Brust. Eine Beschränkung der Bestrahlung auf einen Teil der Brust ist kein Standard.
Nach einer radikalen Operation der Brust ist eine Bestrahlung der Brustwand dann sinnvoll, wenn Lymphknoten befallen waren, insbesondere bei mehr als 3 betroffenen Lymphknoten. Bei dieser Risikogruppe kann die Bestrahlung das Risiko für einen Rückfall an der Brustwand senken und auch das Risiko, an den Folgen von Brustkrebs zu versterben. Eine Bestrahlung kann auch empfohlen werden, wenn andere Risikofaktoren vorliegen: Alter < 40 Jahre, Lymphgefäße oder Blutgefäße im Befund der Pathologie betroffen, Tumorstadium pT2 mit einem Durchmesser > 3 cm, Tumorwachstum in den Brustmuskel, R1 oder R2 nach der R Klassifikation.
4.1.1.2.2Regionale Lymphabflusswege
Der Wert einer ergänzenden Bestrahlung der Lymphabflusswege ist bisher nicht eindeutig durch große vergleichende Studien belegt. In der aktuellen S3 Leitlinie wird eine Bestrahlung der Lymphabflusswege in der Achselhöhle bei folgenden Patientinnen empfohlen:
Resttumor der Achselhöhle
Befall des Wächterlymphknotens, aber keine anschließende Operation der Achselhöhle
Eine zusätzliche Bestrahlung der Lymphabflusswege ober- und unterhalb des Schlüsselbeins wird bei folgenden Patientinnen empfohlen:
Befall von ≥ 4 befallenen Lymphknoten in der Achselhöhle
Befall von Lymphknoten aus der dritten Reihe der Lymphknoten in der Achselhöhle
andere Gründe für eine Bestrahlung der Achselhöhle
5Medikamente
5.1Ergänzende (adjuvante) Hormontherapie
Bei 80 % der Patientinnen ist der Brustkrebs empfindlich für Östrogene oder Progesteron. Diese weiblichen Hormone können das Wachstum der Krebszellen anregen. Die Behandlung hat das Ziel, diesen Weg zu blockieren. Eigentlich ist die so genannte Hormonbehandlung eine Anti - Hormonbehandlung. Die Wahrscheinlichkeit für eine Empfindlichkeit der Tumore für Östrogene wird an der Gewebsprobe durch Bestimmung der Östrogenrezeptoren untersucht.
Die Bestimmung soll nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften erfolgen. Bei Patientinnen mit Nachweis von Östrogen- und / oder Progesteronrezeptoren wird eine Hormontherapie empfohlen. Die Entscheidungswege bei der Hormontherapie sind in Abbildung 2 dargestellt.
Bei kombinierter Therapie sollte die Hormontherapie erst nach Abschluss der Chemotherapie und der Bestrahlung begonnen werden.
5.1.1Hormontherapie
5.1.1.1Vor und in den Wechseljahren
Durch den Stress der Diagnose einer Krebserkrankung, durch die Behandlung oder andere Faktoren kann es zu Unregelmäßigkeiten der Regelblutung auch bei Frauen vor den Wechseljahren kommen. Wenn Unklarheiten über den Hormonstatus bestehen, werden Laboruntersuchung zur Bestimmung von FSH und Östradiol (E2) veranlasst.
Standard der Hormontherapie bei Frauen vor den Wechseljahren ist die Gabe von Tamoxifen, siehe Abbildung 1. Zusätzlich kann die Ausschaltung der Eierstockfunktion empfohlen werden. Hierzu gibt es drei gleich wirksame Methoden:
Medikamente aus der Gruppe der GnRH Analoga über 2 Jahre
Operation mit Entfernung der Eierstöcke
Bestrahlung der Eierstöcke
Nach einer Behandlung mit Medikamenten kann sich die Funktion der Eierstöcke erholen mit Wiedereinsetzen der Regelblutungen und Wiederherstellung der Fruchtbarkeit. Operation und Bestrahlung sind endgültig. Wenn bei Patientinnen späterer Kinderwunsch besteht, kommt nur die medikamentöse Behandlung in Frage.
Informationen zu den Medikamenten sind in Tabelle 5 zusammengefasst.
zugelassen; nicht zugelassen
5.1.1.2Nach den Wechseljahren
Für die ergänzende Hormontherapie bei Patientinnen nach den Wechseljahren stehen Tamoxifen und die Aromataseinhibitoren zur Verfügung, siehe Abbildung 1. Die Medikamente wurden nacheinander entwickelt. Zuerst wurde die Wirkung von Tamoxifen untersucht. Jeweils die Hälfte der Patientinnen erhielt Tamoxifen oder keine ergänzende Hormontherapie. Dabei verminderte Tamoxifen das Rückfallrisiko und das Risiko, an Brustkrebs zu sterben. Bei den Aromataseinhibitoren wurde untersucht, ob sie besser als Tamoxifen wirken. Dabei führte die Behandlung mit einem Aromataseinhibitor zu einem weiteren Rückgang des Rückfallrisikos, die Sterblichkeit wurde aber nicht weiter gesenkt. Die Ergebnisse der großen, wegweisenden Studien sind in Onkopedia unter Leitlinie Mammakarzinom Studienergebnisse zusammengestellt. Für den Zeitpunkt des Einsatzes der Aromataseinhibitoren gibt es mehrere, gleichwertige Konzepte:
Beginn mit Tamoxifen, Switch nach 2 - 3 Jahren
Beginn mit Tamoxifen, Switch nach 5 Jahren
nur Aromataseinhihibitor
Eine ausschließliche Behandlung mit Aromataseinhibitoren wird für Patientinnen empfohlen, bei denen es Gründe gegen eine Behandlung mit Tamoxifen gibt. Die Hormontherapie soll über mindestens 5 Jahre durchgeführt werden. In Studien wird z. Zt. untersucht, ob eine längere Behandlung die Rückfallraten weiter senken kann. Informationen zu den Medikamenten sind in Tabelle 6 zusammengefasst.
zugelassen; nicht zugelassen
5.2Ergänzende Chemotherapie
Ergänzende Chemotherapie senkt das Rückfallrisiko. Wie hoch der Nutzen für die einzelne Patientin ist, hängt von den Risikofaktoren des Brustkrebs, von den Zytostatika und ihrer Dosierung, sowie vom Allgemeinzustand ab.
5.2.1Wann wird eine Chemotherapie empfohlen?
Alle zwei Jahren findet in St. Gallen eine Internationale Expertenkonferenz über die Behandlung von frühen Stadien des Brustkrebs statt. Die dort gegebenen Empfehlungen werden weltweit beachtet. Auf der letzten Konferenz im März 2009 wurden die Risikofaktoren für den Nutzen einer Chemotherapie neu bewertet. Diese Risikofaktoren werden in drei Gruppen eingeordnet, siehe auch Abbildung 3:
1. Gruppe (blau): kein Gewinn durch eine ergänzende Chemotherapie
2. Gruppe (violett): geringer oder mässiger Gewinn durch eine ergänzende Chemotherapie
3. Gruppe (rot): hoher Gewinn durch eine ergänzende Chemotherapie
2 Proliferation - Wachstum;
3 HER2 - Human Epidermal growth factor Receptor; HER2 negativ - keine HER2 Überexpression / keine HER2 Genamplifikation nachweisbar;
4 Lymphknoten - Einteilung nach der TNM Klassifikation;
5 Gensignatur - Genexpressionsanalyse;
6 negativ - Befund nicht nachweisbar, positiv - Befund nachweisbar;
Indikation für eine ausschließlich endokrine Systemtherapie;
Faktor ohne klaren Einfluss auf die Therapieentscheidung;
Indikation für eine Chemotherapie, auch in Kombination mit endokriner Therapie
Neu ist die Aufnahme der Gensignatur in die Entscheidung. Am Tumorgewebe kann die Aktivität von Genen mit einem molekularbiologischen Testverfahren untersucht werden. Das Ergebnis wird in einem Score zusammengefasst. Er liefert zusätzliche Informationen über den Nutzen einer Chemotherapie: Patientinnen mit einem Hormon-empfindlichen Brustkrebs und einem niedrigen Score profitieren wahrscheinlich nicht von einer ergänzenden Chemotherapie. Ergebnisse zusätzlicher Studien zu diesem Thema stehen aus.
Die Chemotherapie ist sinnvoll beim triple negativem Brustkrebs, d. h. bei Tumoren ohne Nachweis der Rezeptoren für Östrogen, Progesteron und HER2. Von dieser Regel ausgenommen sind sehr kleine Tumoren (< 1 cm) und andere seltene Formen wie der medulläre, der apokrine und der adenoidzystische Brustkrebs. Diese sind zwar auch triple negativ, haben aber kein erhöhtes Risiko für die Bildung von Metastasen.
Eine ergänzende Chemotherapie wird auch empfohlen beim HER2 positiven Brustkrebs, zusammen mit Trastuzumab. Die bisher veröffentlichten Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von Trastuzumab wurden nur in Kombination mit Chemotherapie durchgeführt.
5.2.2Welche Medikamente werden eingesetzt?
In der ergänzenden Chemotherapie werden mindestens zwei, häufiger drei Medikamente kombiniert. Diese können entweder am selben Tag oder nacheinander im Abstand von mehreren Wochen gegeben werden. In den letzten 20 Jahren wurde eine Vielzahl möglicher Kombinationen entwickelt. Die feste Zuordnung einer bestimmten f - Kombination zu einer bestimmten Risiko - Situation gibt es z. Zt. nicht. Die Ergebnisse der großen, wegweisenden Studien sind in Onkopedia unter Leitlinie Mammakarzinom Studienergebnisse zusammengestellt. Informationen zu den Medikamenten sind in Tabelle 7 zusammengefasst.
zugelassen; nicht zugelassen
5.3Ergänzende anti - HER2 Behandlung
Etwa 20 % der Patienten mit einem invasiv duktalen Brustkrebs haben HER2 auf den Tumorzellen nachweisbar. Die Untersuchungen zum Nachweis von HER2 sollen mit anerkannten Testverfahren durchgeführt werden. Dazu gibt es drei verschiedene Methoden. Sobald ein bestimmter Grenzwert erreicht wird, spricht man von einem positiven Befund oder von einem HER2 positiven Brustkrebs. Die Methoden sind in Tabelle 8 zusammengefasst.
Als Medikament für die ergänzende HER2 Therapie steht der monoklonale Antikörper Trastuzumab zur Verfügung. Er blockt HER2, formal handelt es sich also um eine anti-HER2 Therapie. Die ergänzende Behandlung mit Trastuzumab senkt das Rückfallrisiko im Vergleich zu ausschließlicher Chemotherapie und verlängert die Überlebenszeit. Die Entscheidungswege für eine ergänzende HER2 Therapie sind in Abbildung 4 dargestellt.
Patientinnen mit HER2 positivem Brustkrebs sollen eine ergänzende Behandlung mit Trastuzumab erhalten. Eine Ausnahme sind Patientinnen mit einem kleinen Tumor (< 1 cm) und ohne Lymphknotenbefall. Für diese Patientinnen ist nicht gesichert, ob sie von einer zusätzlichen Behandlung mit Trastuzumab profitieren.
In allen großen Studien wurde Trastuzumab mit Chemotherapie kombiniert. Trastuzumab kann direkt zusammen mit Taxanen oder nach Anthrazyklinen gegeben werden. Ob einige Patientinnen auch von einer ausschließlichen Hormontherapie in Kombination mit Trastuzumab profitieren können, ist nicht geklärt.
Standard für die Dauer der Behandlung mit Trastuzumab sind 12 Monate. Informationen zu den Medikamenten sind in Tabelle 9 zusammengefasst.
zugelassen; nicht zugelassen
5.4Andere ergänzende Behandlung
Bisphosphonate sind Medikamente, die zur Verminderung des Risikos von Osteoporose eingesetzt werden. Sie haben auch Eigenschaften, die das Wachstum von Tumorzellen hemmen. Bei Patientinnen mit Brustkrebs im frühen Stadium wird z. Zt. in mehreren Studien untersucht, ob Bisphophonate auch das Rückfallrisiko vermindern können.
Ein gesichertes Einsatzgebiet für Bisphosphonate ist Osteoporose unter einer Behandlung mit Aromataseinhibitoren.
5.5Wie wird behandelt, wenn der Krebs in der Brust fortgeschritten ist?
Diese Gruppe umfasst Patientinnen mit Tumoren in den Stadien IIIA und IIIB.
5.5.1Chemotherapie vor einer Operation
Die Chemotherapie vor einer Operation wird mit verschiedenen Namen bezeichnet: primär, neoadjuvant, präoperativ.
Sie wird bei folgenden Patientinnen empfohlen:
in der Brust fortgeschrittener Krebs, d. h. in den Stadien IIIA und IIIB
wenn eine Operation mit ausreichendem Sicherheitsabstand nicht möglich ist
beim entzündlichen Brustkrebs
bei Frauen mit einem relativ großen Tumor, bei denen eine brusterhaltende Operation zunächst nicht möglich ist. In dieser Gruppe ist für die Prognose egal, ob eine Chemotherapie vor oder nach einer Operation durchgeführt wird.
Bei etwa 40 % der Patientinnen mit nicht Hormon-empfindlichem Brustkrebs bildet sich der Tumor durch diese Chemotherapie vollständig zurück und ist auch unter dem Mikroskop nicht mehr nachweisbar. Patientinnen, die nicht auf eine derartige Chemotherapie vor der Operation ansprechen, haben eine ungünstige Prognose.
Die Medikamente sind dieselben, die auch bei der ergänzenden Chemotherapie eingesetzt werden, siehe Kapitel 5.2.1 „Wann wird eine Chemotherapie empfohlen?“. Empfohlen wird eine Behandlung von mindestens 18 Wochen. Bei Patientinnen mit HER2 positivem Brustkrebs ist zusätzlich die Gabe von Trastuzumab sinnvoll.
Bei Patientinnen in schlechtem Allgemeinzustand kann auch zuerst eine Hormontherapie durchgeführt werden. Das ist auch eine Möglichkeit bei Patientinnen, die eine Operation oder eine Chemotherapie ablehnen. Voraussetzung ist, dass es sich um einen hormon-empfindlichen Tumor handelt.
5.5.2Multimodale Therapie
Eine Chemotherapie als erste Behandlungsmaßnahme ist Teil eines multimodalen Konzeptes und d wird fortgesetzt mit Operation, Bestrahlung sowie Hormontherapie entsprechend den Regeln für Brustkrebs in frühen Stadien.
5.6Wie wird bei einem Rückfall in der Brust behandelt?
Bei 5 - 10 % der Patientinnen tritt nach brusterhaltender Operation ein Rückfall in der Brust oder in den benachbarten Lymphknoten auf. Bei etwa 90 % dieser Frauen sitzt der Tumor dann in der Brust (In - Brust - Rückfall), seltener an der Brustwand oder in der Achselhöhle. Auch bei einem derartigen Rückfall bleibt der Brustkrebs heilbar, siehe Abbildung 5. Die Risikofaktoren entsprechen denen bei einer Erstdiagnose. Ungünstig ist, wenn der Zeitabstand zwischen erster Diagnose und Rückfall weniger als zwei Jahre beträgt.
Erstes Ziel der Behandlung im Rückfall ist die Entfernung des Tumors, durch Operation, durch Bestrahlung oder eine Kombination von beidem. Der Vorteil einer ergänzenden Hormon- oder Chemotherapie ist in dieser Situation nicht belegt.
5.7Wie wird behandelt, wenn sich Metastasen im Körper gebildet haben?
Trotz optimaler Erstbehandlung und trotz der Fortschritte in der ergänzenden Behandlung bilden sich bei etwa 20 % der Patienten Metastasen im Körper. In dieser Situation ist der Krebs in der Regel nicht mehr heilbar, die Behandlung ist palliativ. Günstige Risikofaktoren sind
guter Allgemeinzustand
ausschließlicher Befall von Knochen und / oder Haut
Hormon-empfindlich, d. h. mindestens 10 % der Zellen sind ER positiv
HER2 negativ, d. h. HER2 Score 0 - 2
Zeitabstand zwischen Erstdiagnose und Rückfall mehr als 2 Jahre
keine ergänzende Chemotherapie durchgeführt
keine Vorbehandlung von Metastasen im Körper
Die Krankengeschichte und eine komplette körperliche Untersuchung sind Grundlage der weiteren Untersuchungen. Diese Untersuchungen richten sich nach den Beschwerden und nach der geplanten Behandlung, siehe Tabelle 2. Wenn möglich, sollte eine Probeentnahme zur Bestätigung des Rückfalls erfolgen. An der Probe können auch der aktuelle Stand der Hormon-Empfindlichkeit und von HER2 erfolgen.
Palliative Behandlung umfasst die körperlichen und die seelischen Beschwerden. Sie wird interdisziplinär durchgeführt, d. h. unter Einbeziehung aller erforderlichen Spezialisten. Über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten palliativer Behandlung soll frühzeitig und umfassend mit allen Betroffenen gesprochen werden.
Die Wahl von Medikamenten richtet sich nach der Biologie der Krankheit. Die Entscheidungswege sind in Abbildung 5 dargestellt.
2 HER2 - Human Epidermal growth factor Receptor; HER2 positiv - HER2 Überexpression / HER2 Genamplifikation
5.7.1vor oder in den Wechseljahren
Ziel der Behandlung bei Frauen vor den Wechseljahren ist die Ausschaltung der Funktion der Eierstöcke. Dies kann durch Medikamente, durch Operation oder durch Bestrahlung der Eierstöcke erreicht werden. Zusätzlich erhalten die Patientinnen Tamoxifen.
Sollten die Metastasen unter dieser Hormonbehandlung fortschreiten, kann Tamoxifen durch Aromataseinhibitoren ersetzt werden. Die Entscheidungswege der palliativen Hormontherapie sind in Abbildung 6 dargestellt.
2 Tam - Tamoxifen;
3 Tor - Toremifen;
4 Ful - Fulvestrant
5.7.2nach den Wechseljahren
Bei Patientinnen nach den Wechseljahren werden Aromataseinhibitoren eingesetzt. Drei verschiedene Präparate stehen zur Verfügung. Sie unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur, die Wirkung ist vergleichbar. Alternativen sind Tamoxifen oder Toremifen. Einschränkend muss angemerkt werden, dass diese Empfehlungen auf Studien beruhen, die vor dem Einsatz von Aromataseinhibitoren in der ergänzenden Hormontherapie durchgeführt werden.
Bei Versagen dieser Medikamente wird die Behandlung mit Fulvestrant empfohlen. Weitere Formen der Hormontherapie sind Gestagene, Östrogene, Androgene oder der Wechsel zwischen den verschiedenen Aromataseinhibitoren. Informationen zu den Medikamenten sind in Tabelle 10 zusammengefasst.
1 ER - Östrogenrezeptor;
2 MPA - Medroxyprogesteronacetat;
zugelassen; nicht zugelassen
5.8Chemotherapie und Antikörper
Chemotherapie ist wirksam beim fortgeschrittenen Brustkrebs, ist aber bei den meisten Patientiinnen mit mehr Nebenwirkungen als die Hormontherapie belastet. Nutzen und Nebenwirkungen müssen gegeneinander abgewogen werden. Empfohlen wird die Chemotherapie für Patientinnen mit einem nicht Hormon-empfindlichen Brustkrebs oder bei Versagen der Hormontherapie. Empfohlen wird die Chemotherapie auch für Patientinnen, bei denen akute Lebensgefahr besteht oder bei denen die Funktion von Organen durch Metastasen unmittelbar bedroht ist, siehe Abbildung 5. Bei HER2 positivem Brustkrebs wird die Chemotherapie mit einer HER2 Therapie kombiniert.
Zur Linderung von Beschwerden und zur Rückbildung der Metastasen stehen heute mehr als 10 verschiedene Medikamenten und eine Vielzahl von Medikamentenkombinationen zur Verfügung. Die feste Zuordnung einer bestimmten Chemotherapie zu einer bestimmten Risiko - Situation gibt es z. Zt. nicht. Die Auswahl der Medikamente wird durch das Behandlungsziel, eine vorherige Chemotherapie und mögliche weitere Erkrankungen der Patientin bestimmt. Wenn der Rückfall mehr als 12 Monate nach einer ergänzenden Chemotherapie eintritt, können auch Medikamente der vorhergehenden Chemotherapie wieder eingesetzt werden. Hierbei muss die Gesamtmenge der jeweiligen Medikamentes berücksichtigt werden.
Biologische Testverfahren für die Auswahl der optimalen Behandlung, z. B. Gensignatur oder Chemosensibilitätstestung, sind bisher nicht ausreichend in großen klinischen Studien untersucht. Auch die Überwachung einer Chemotherapie durch Messung von Tumorzellen im Blut ist kein Standardverfahren.
Das Auftreten von Nebenwirkungen wird durch regelmäßige Kontrollen vor jeder neuen Behandlung überwacht. Hierzu gehören die Krankengeschichte, körperliche Untersuchung, Blutuntersuchungen und ggfs. bildgebende Verfahren. Das Ansprechen auf die Hormontherapie wird alle 2 bis 3 Monate mittels körperlicher Untersuchung und gezielter bildgebender Verfahren kontrolliert.
6werden Medikamente einzeln eingesetzt? Wann werden Medikamente kombiniert?
Die Kombination von zwei oder mehr Medikamenten steigert die Chancen für eine Rückbildung der Metastasen und verlängert die Zeit bis zu einem Rückfall. In einigen Studien wurde auch Verlängerung der Überlebenszeit erreicht. Allerdings ist die Kombinationschemotherapie auch mit stärkeren Nebenwirkungen belastet. Bei Patientinnen mit wenig Beschwerden und einem langsamen Fortschreiten der Metastasen ist die Behandlung mit nur einem Medikament sinnvoll. Bei starken Beschwerden und raschem Wachstum der Metastasen sollte eine Kombinationschemotherapie durchgeführt werden. Medikamente können dabei gleichzeitig oder nacheinander gegeben werden. Die Wege zu Entscheidungen der palliativen Chemotherapie sind in den Abbildungen 7 und 8 dargestellt, aufgeteilt nach der Behandlung mit einzelnen Medikamenten oder mit einer Kombination.
7Welche Medikamente gibt es?
Die Ergebnisse der großen, wegweisenden Studien sind in Onkopedia unter Leitlinie Mammakarzinom Studienergebnisse zusammengestellt. Im Folgenden werden die Medikamente kurz in alphabetischer Reihe vorgestellt.
Anthrazykline / Anthracene
Zu dieser Gruppe gehören Doxorubicin, Epirubicin, liposomales Doxorubicin und Mitoxantron. Sie sind die wirksamsten Zytostatika beim fortgeschrittenen Brustkrebs. Einzeln eingesetzt, liegen die Ansprechraten zwischen 35 und 40 %. Anthrazykline werden eingesetzt bei Patientinnen, die bisher keine Behandlung mit Anthrazyklinen bzw. nicht in den letzten 12 Monaten hatten. Liposomales Doxorubicin ist eine Alternative für Patientinnen mit einer Herzerkrankung und für Patientinnen, die an die Höchstdosis für Anthrazykline gekommen sind.
Bendamustin
Die Wirkung dieses Medikamentes wurde in einer großen klinischen Studie nachgewiesen.
Bevacizumab
Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper. Er hemmt die Neubildung von Blutgefäßen in der Umgebung von Metastasen. In Kombination mit Taxanen oder anderen Zytostatika wie Capecitabin, Gemcitabin oder Vinorelbin werden Ansprechraten von 20 - 65 % erreicht. Im Vergleich zur Behandlungen mit einzelnen Medikamenten wird eine Verlängerung der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung erreicht. Bevacizumab ist sowohl am Anfang einer palliativen Behandlung als auch zu späteren Zeitpunkten wirksam. Ergebnisse über eine Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit durch Bevacizumab sind nicht einheitlich.
Capecitabin
Capecitabin wird in Tablettenform gegeben. Als Einzelbehandlung führt es bei 20 bis 30 % der Patientinnen zu einer Rückbildung von Metastasen. Bessere Ergebnisse werden bei Kombination mit Doxetaxel oder Bevacizumab erzielt.
Fluorouracil
5-Fluorouracil (5FU) ist wirksam als Einzelsubstanz und in Kombinationen. 5FU kann entweder als Kurzinfusion und als Dauerinfusion über 24 Stunden gegeben werden. Eine verstärkende Wirkung von Leukovorin wurde beim Brustkrebs nicht bewiesen.
Gemcitabin
Als Einzelbehandlung werden Ansprechraten von 10 bis 20 %, als Kombination mit Taxan bis zu 60 % erzielt. Bei Patientinnen, die bereits Taxan und Anthrazykline erhalten hatten, erreichte Kombination von Gemcitabin und Vinorelbin Ansprechraten von über 30 %.
PARP Inhibitoren
PARP sind Enzyme der DNS - Reparatur und Ziele einer Gruppe neuer Medikamente. Wirksamkeit wurde beim triple negativen Brustkrebs und bei Patientinnen mit BRCA Mutationen gezeigt. Ergebnisse von randomisierten klinischen Studien sind gegenwärtig noch nicht vollständig veröffentlicht.
Platin
Abkömmlinge von Platin gehören zu den wirksamsten Einzelsubstanzen, der Einsatz ist allerdings durch die Nebenwirkungen begrenzt. Carboplatin erreicht, in Kombination mit anderen Zytostatika, Ansprechraten von über 50 % bei Patientinnen mit HER2 positivem bzw. beim triple negativen Brustkrebs.
Taxane
Hierzu gehören Paclitaxel, Docetaxel und und das Albumin - gebundene Paclitaxel (nab Paclitaxel).
Die mittleren Ansprechraten der Einzelbehandlung bei nicht vorbehandelten Patientinnen liegen zwischen 30 und 35 %. In Kombination mit Anthrazyklinen werden höhere Ansprechraten von 55 - 60 % und eine Verlängerung der Zeit bis zum Fortschreiten der Krankheit erreicht. Die Studienergebnisse über eine Verlängerung der Überlebenszeit durch Taxane sind nicht einheitlich. Beim Paclitaxel ist die wöchentliche Gabe wirksamer als die Gabe in Abständen von drei Wochen.
Vinorelbin
Dieses Medikament aus der Gruppe der Vinca - Alkaloide kann intravenös in Tablettenform gegeben. Bei der Einzelbehandlung wurden Ansprechraten von bis zu 25 % erzielt. Vinorelbin ist sowohl für die Einzel- als auch für die Kombinationsbehandlung geeignet, auch mit Trastuzumab bei HER2 positivem Brustkrebs.
Informationen zu den Medikamenten sind in Tabelle 11 zusammengefasst.
8Welche Alternativen gibt es?
Es gibt eine Vielzahl von weiteren Medikamenten oder Methoden, die zur Behandlung von Patientinnen mit Brustkrebs angeboten werden. Einige werden direkt zur Bekämpfung der Krebskrankheit, andere zur Unterstützung eingesetzt. In klinischen Studien werden neue Substanzen und Konzepte unter streng kontrollierten Bedingungen auf ihre Wirksamkeit untersucht. Bei neuen Medikamenten und Methoden, die außerhalb klinischer Studien angeboten werden, ist Zurückhaltung empfohlen. Dies trifft auch auf Angebote zu, deren Kosten nach Prüfung nicht von den Kassen übernommen werden. Grundsätzlich wird dringend empfohlen, die jeweils behandelnden Ärzte über alle Behandlungen zu informieren.
8.1HER2 Therapie
Als Medikament steht der monoklonale Antikörper Trastuzumab zur Verfügung. Er blockt HER2. Formal handelt es sich um eine anti-HER2 Therapie. Trastuzumab allein erreicht Ansprechraten von 20 % bei HER2 positiven Patientinnen. In Kombination mit Anthrazyklinen, Taxanen, Capecitabin, Vinorelbin und Platinderivaten werden Ansprechraten von > 50 % und eine Verlängerung der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung erreicht. In Kombination mit Anthrazyklinen erhöht Trastuzumab das Risiko für eine Herzmuskelerkrankung. Deshalb sollen diese beiden Medikamente nicht gleichzeitig eingesetzt werden.
Ein weiteres wirksames Medikament für die HER2 Therapie ist Lapatinib, es wird in Tablettenform gegeben. Lapatinib ist wirksam in Kombination mit Capecitabin bei Patientinnen, die bereits mit Trastuzumab vorbehandelt waren.
Lapatinib und Trastuzumab sind auch wirksam in Kombination mit Aromataseinhibitoren bei Patientinnen mit Hormon-empfindlichem Brustkrebs.
9Wie wird behandelt, wenn sich die Metastasen zurückgebildet haben?
Ziel bei der Behandlung von Patientinnen mit fortgeschrittenen Metastasen ist eine Rückbildung mit Linderung der Beschwerden und eine Verlängerung der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung. Dagegen müssen die Nebenwirkungen und die Belastung durch die Behandlung abgewogen werden. Die palliative Hormontherapie wird bis zu einem Fortschreiten der Erkrankung fortgeführt. Bei der Chemotherapie werden in der Regel 4 - 6 Behandlungskurse bis zum bestmöglichen Ansprechen angewandt. Für eine Erhaltung, d. h. eine Fortsetzung der Chemotherapie bis zu einem Fortschreiten der Metastasen, wurde bisher kein Gewinn nachgewiesen.
Die Behandlung mit Trastuzumab, Lapatinib oder Bevacizumab kann fortgeführt werden, Ob eine Dauerbehandlung besser als eine gezielte Behandlung bei Beschwerden ist, ist nicht geklärt.
zugelassen; nicht zugelassen
10Welche unterstützende Behandlung zur Linderung von Beschwerden gibt es?
Unterstützende, palliative Behandlung umfasst die körperlichen und die seelischen Beschwerden. Sie wird interdisziplinär durchgeführt, d. h. unter Einbeziehung aller erforderlichen Spezialisten. Über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten palliativer Behandlung soll frühzeitig und umfassend mit allen Betroffenen gesprochen werden. Die gezielte Behandlung von Beschwerden, die häufig bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs auftreten, wird im Folgenden dargestellt.
10.1Knochenmetastasen
Zur Behandlung von Patientinnen mit Knochenmetastasen stehen örtlich wirksame Maßnahmen und im ganzen Körper wirkende Medikamente zur Verfügung. Die Bestrahlung ist die wirksamste Methode bei Schmerzen oder wenn ein Knochenbruch droht. Zusätzlich kann eine Operation zur Versorgung eines Knochenbruchs, eines instabilen Wirbels oder zur Entlastung des Rückenmarks erforderlich sein.
Im ganzen Körper wirksame Medikamente sind die Bisphosphonate. Die regelmäßige Gabe vermindert das Risiko von Komplikationen (Knochenbruch, Schmerzen, Risiko einer Operation) und verzögert ein Fortschreiten der Knochenmetastasen. Bisphosphonate werden auch eingesetzt bei einer Hyperkalzämie, d. h. einem krankhaften Anstieg von Kalzium in Folge der Knochenmetastasen. Informationen zu den verschiedenen Bisphosphonaten finden sich in Tabelle 12.
10.1.1Leber- und Lungenmetastasen
Leber- und Lungenmetastasen werden in der Regel mit Medikamenten behandelt. In Einzelfällen kann auch eine örtliche Behandlung sinnvoll sein. Voraussetzungen dafür sind
Vorliegen von einzelnen Metastasen in Leber oder Lunge
Metastasen in lediglich einem Leber- oder Lungenlappen
Sicherung, dass es sich nicht um einen anderen Krebs handelt
Zeit von mindestens einem Jahr zwischen dem Ende der Erstbehandlung und dem Rückfall
10.2Metastasen im Gehirn
Die erste Maßnahme bei Krankheitszeichen aufgrund von Metastasen im Gehirn ist die Gabe von Glukokortikoiden. Sie vermindern die Bildung von Flüssigkeit um die Metastase und senken dadurch den Druck im Gehirn. Wenn eine einzelne Metastase gefunden wird, ist eine Operation oder eine gezielte, stereotaktische Bestrahlung sinnvoll. Bei mehreren Metastasen wird eine Bestrahlung des gesamten Gehirns durchgeführt.
10.3Flüssigkeit im Rippenfell
Metastasen im Rippenfell können zu einer Ansammlung von Flüssigkeit führen. Die häufigsten Beschwerden sind zunächst Luftnot bei Belastung, bei Fortschreiten auch Luftnot in Ruhe und im Liegen. Bei diesen Patienten sind eine Punktion der Flüssigkeit und eine Pleurodese mit Bleomycin oder Talkum sinnvoll.
11Nachsorge
11.1Welche Reha - Angebote gibt es?
Operation, Bestrahlung und die medikamentöse Behandlung können sehr belastend für den Patienten und seine Angehörigen sein. Ziel der Rehabilitation ist die Gesundung durch Unterstützung im körperlichen, im seelischen und im sozialen Bereich. Das Angebot ist vielfältig, Reha - Maßnahmen können ambulant und stationär durchgeführt werden. Die Rechte von Patienten sind im Sozialrecht festgelegt. Hinsichtlich der Rehabilitationsklinik müssen die Wünsche der Patienten berücksichtigt werden. Die stationäre Rehabilitation sollte in einer Klinik mit onkologischem Schwerpunkt abgegeben werden, um einen optimalen Rehabilitationserfolg zu gewährleisten.
11.2Was ist Bestandteil der Nachsorge?
Ziele der Nachsorge sind die
frühzeitige Erkennung eines Rückfalls mit dem Ziel der Erhöhung der Heilungschance oder einer Verlängerung der Überlebenszeit
Erkennung von Nebenwirkungen der Behandlung
psychosoziale Betreuung
Vorsorge
Die Nachsorge beginnt, sobald die Erstbehandlung abgeschlossen ist: Die Nachsorge besteht aus Beratung, Betreuung und Begleitung. Besonders wichtig ist die Berücksichtigung der speziellen Beschwerden der Patientin. Bei jedem Nachsorgetermin werden die Krankengeschichte aufgenommen und eine körperliche Untersuchung durchgeführt. Nachsorge bezieht alle erforderlichen Fachgebiete mit ein. Nach brusterhaltender Behandlung wird die betroffene Brust mit Mammographie oder Ultraschall, in begründeten Fällen auch mit MRT, untersucht. Bei allen Patientinnen wird einmal jährlich auch die andere Brust mit einer Mammographie untersucht. Bei begründetem Verdacht auf einen Rückfall schließen sich weitere bildgebende und Laboruntersuchungen an. Die routinemäßige Suche nach Metastasen im Körper ist bei Patientinnen ohne Beschwerden nicht sinnvoll. Wenn Beschwerden auftreten, wird gezielt untersucht.
Die Nachuntersuchungen sollten in den ersten 3 Jahren vierteljährlich, im 4. und 5. Jahr halbjährlich und ab dem 6. Jahr jährlich erfolgen. Früherkennungsuntersuchungen sind mit einzuschließen.
Alle Patientinnen mit Operation der Lymphknoten in der Achselhöhle müssen über das Risiko, die Früherkennung und die Behandlung eines Lymphödems des Arms aufgeklärt werden. Eine vorbeugende Lymphdrainage ist nicht sinnvoll.
12Kurzfassung
Die Kurzfassung kann als Druckversion hier aufgerufen werden:
13weitere Infos
13.1Wo bekomme ich weitere Informationen?
Selbsthilfe
Frauenselbsthilfe nach Krebs e. V.: http://www.frauenselbsthilfe.de
Mammazone: http://www.mamazone.de
Familiärer Brustkrebs
Deutsches Konsortium für hereditären Brust- und Eierstockskrebs; http://www.mammamia-online.de/MMSpezialBuch.pdf
14Wer behandelt?
14.1Onkologische Zentren
Liste zertifizierter Onkologischer Zentren: http://www.onkologie-zertifizierung.de/ |
14.2DGHO Mitgliederdatenbank
DGHO Mitgliederverzeichnis: https://www.dgho.de/aerzte/ |
14.3Zertifizierte Brustzentren
Zertifizierte Brustzentren:
Deutsche Krebsgesellschaft
Disclaimer
Mein Onkopedia richtet sich an Patienten, Angehörige und alle Interessierten. Es basiert auf den aktuellen Leitlinien der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. für Ärzte, zusammengefasst in Onkopedia. Diese werden in Kooperation mit der OeGHO Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, der SGMO Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie, der SGH+SSH Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie und der GPOH Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, erstellt. Fachbegriffe und Medikamente sind in einem getrennten Verzeichnis erklärt. Mein Onkopedia bietet Informationen, es ersetzt in keinem Fall die persönliche ärztliche Betreuung bei Erkrankung und Beschwerden.
Hallo,
ich habe eine Frage zur Medikation nach Brustkrebs. Ich nehme seit drei Monaten Tamoxifen. Kann ich bei östrogenempfindlichem BK Cimicifuga (pflanzliches Arzneimittel zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden) nehmen? Meine Onkologin hat es mir verschrieben und hält es für unbedenklich, andere Ärzte raten aber offenbar davon ab.
Kann mir in dieser Frage jemand helfen?
Viele Grüße
C.H.