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Fieber unbekannter Genese (FUO) bei neutropenischen Patienten

Stand Mai 2025
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Inhaltlich relevante Änderungen gegenüber der Vorversion

  • eine anamnestisch berichtete Penicillin-Allergie soll nach den PEN-FAST Kriterien evaluiert werden

  • Die Verlängerung der Infusionsdauer von Beta Lactam Antibiotika und Cefepim auf 4 Stunden kann erwogen werden

  • Es gibt keine Indikation für eine empirischen Routine Einsatz von Reserve Antibiotika: Ceftazidime/Avibactam, Aztreonam/Avibactam, Ceftolozan/Tazobactam, Imipenem/Relebactam, Meropenem/Vaborbactam, Cefiderocol

  • für die ambulante Therapie von Patienten in Standardrisiko mit niedrigem klinischem Risiko (MASCC-Score ≥ 21) und guter Compliance wurde ein Algorithmus zur Beschreibung des Behandlungsstruktur erstellt

  • Bei Fieberfreiheit über 3 – 5 Tage und klinisch stabiler Situation kann die antimikrobielle Therapie trotz anhaltender Neutropenie beendet werden. Ein engmaschiges tägliches klinisches Monitoring ist dann zwingend erforderlich

  • Für Patienten in hohem Risiko und antibiotikarefraktärem Fieber soll eine empirische antimykotische Therapie erwogen werden. Alternativ ist der präemptive Ansatz: eine antimykotische Therapie wird nur bei positiver Bildgebung oder laborchemischem Monitoring eingeleitet. Dieser Ansatz kann Toxizität und Kosten ohne Kompromittierung von Effektivität reduzieren und sollte in Zukunft präferentiell eingesetzt werden.

 

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1Zusammenfassung

Die febrile Neutropenie ist ein Notfall in der Behandlung von Patienten mit malignen Erkrankungen. Die umgehende Diagnostik und Einleitung einer antimikrobiellen Therapie sind zwingend erforderlich. Das Evidenz-basierte Management richtet sich nach zu erwartender Dauer der Neutropenie, klinischen Risikofaktoren und der Epidemiologie in der behandelnden Einrichtung.

Das 2024 update der AGIHO Leitlinie ‚Diagnosis and empirical treatment of fever of unknown origin (FUO) in adult neutropenic patients with solid tumours and hematological malignancies’ [1] wurde von der Arbeitsgemeinschaft Infektionen der DGHO (AGIHO) erstellt. Grundlagen der Empfehlungen sind eine systematische Literaturrecherche, die einheitliche Bewertung der Evidenzstärke entsprechend der ESCMID Kriterien (Tabelle 1) [2] und ein Konsensfindungsprozess. Dies ist die Kurzfassung dieser Empfehlungen und das Update der Empfehlungen von 2018 [3].

Tabelle 1: ESCMID Kriterien zu Bewertung der Evidenzstärke [2] 

Kategorie - Grad

Definition

Stärke der Empfehlung (SoR)

A

Hohe Evidenz für eine Empfehlung zur Nutzung

B

Mäßige Evidenz für eine Empfehlung zur Nutzung

C

Sehr geringe Evidenz für eine Empfehlung zur Nutzung

D

Befürwortet eine Empfehlung gegen die Nutzung

Qualität des Evidenz (QoE) - Levels

I

Evidenz aus mindestens einer sehr gut konzipierten und randomisierten kontrollierten Studie

II

Evidenz aus mindestens einer gut konzipierten klinischen Studie ohne Randomisierung, aus Kohorten- oder Fallkontrollierten Studien (vorzugsweise aus mehr als einem Zentrum), aus mehreren longitudinalen Fallserien oder aus sehr positiven Ergebnissen unkontrollierter Experimente

III

Evidenz aus Stellungnahmen anerkannter Behörden und Einrichtungen, die auf klinischer Erfahrung, beschreibenden Fallstudien oder Berichten von Expertenausschüssen beruhen

Qualität der Evidenz (QoE) - Index (für Level II)

r

Meta-Analyse oder systematischer Review von randomisierten kontrollierten Studien

t

Übertragene Evidenz, z.B. Ergebnisse aus verschiedenen Patientenkohorten oder mit vergleichbarer immunologischer Ausgangslage

h

Vergleichsgruppe ist eine historische Kontrolle

u

Ergebnisse unkontrollierter Studien

a

Publizierter Abstract zu Studiendaten, der auf einem wissenschaftlichen Symposium oder einer Tagung vorgestellt wurde

2Grundlagen

2.1Definition

2.1.1Neutropenie

Es gibt keinen Grenzwert für die Zahl von Neutrophilen, der eindeutig Patienten ohne erhöhtes Infektionsrisiko von Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko und erhöhter Mortalität diskriminiert. Die meisten Leitlinien und klinischen Studien definieren Neutropenie als

  • Neutrophile (Stab- und Segmentkernige) <500/µl oder

  • Neutrophile (Stab- und Segmentkernige) <1.000/µl mit einem vorhersehbaren Abfall <500/µl innerhalb der nächsten 2 Tage

2.1.2Fieber

Den folgenden Empfehlungen werden die folgenden Definitionen zugrunde gelegt:

  • Temperatur >38,3 0C, einmal oral gemessen, oder

  • Temperatur >38,0 0C, mit Dauer über mindestens 1 h oder zweimal innerhalb von 12 h gemessen.

Bei Fehlen nicht-infektiöser Ursachen wie z. B. eine fieberhafte Reaktion auf Medikamente oder auf eine Transfusion mit Blutprodukten ist von einer infektiösen Komplikation auszugehen. Es ist zu berücksichtigen, dass Fieber durch den Einsatz von antipyretisch wirksamen Arzneimitteln zur Schmerztherapie wie Steroide, nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAID) oder Metamizol verschleiert werden kann.

2.1.3Risikostratifikation

Der wesentliche Risikofaktor für das Auftreten einer febrilen Neutropenie und die damit verbundenen Komplikationen ist die Dauer und die Tiefe der Neutropenie. In Abhängigkeit der Dauer der zu erwartenden Neutropenie sind 2 Risikogruppen zu beschreiben:

  • Standardrisiko: zu erwartende Dauer der Neutropenie ≤ 7 Tage

  • Hochrisiko: zu erwartende Dauer der Neutropenie > 7 Tage

Weitere Risikofaktoren sind das Alter, der klinische Allgemeinzustand, Art und Remissionsstatus der Grunderkrankung, das Ausmaß der Vortherapie, Komorbidität und eingeschränkte Funktionen vitaler Organsysteme.

Nahezu das gesamte therapeutische Spektrum bei ambulant versorgten Tumorpatienten kann in einer Neutropenie resultieren, die kürzer als sieben Tage zu erwarten ist. Diese Patienten sind deshalb dem Standardrisiko für das Auftreten einer febrilen Neutropenie zuzuordnen.

Patienten, bei denen die Neutropenie länger als sieben Tage zu erwarten ist, haben ein hohes Risiko für eine febrilen Neutropenie mit einem komplizierten Verlauf. Dies trifft im Wesentlichen auf Patienten mit akuten Leukämien in Induktions- und Konsolidierungstherapien und nach allogener Stammzelltransplantation zu. Das Vorgehen bei febriler Neutropenie in diesem Kollektiv (= hohes Risiko) bedingt eine stationäre Versorgung.

Patienten, bei denen eine Neutropenie von weniger als 7 Tagen zu erwarten ist, können unter bestimmten Voraussetzungen auch ambulant und mit oraler empirischer antibiotischer Therapie versorgt werden. Zahlreiche klinische Parameter, die mit einem niedrigen Risiko für febrile Komplikationen assoziiert sind, helfen bei der Einschätzung des wahrscheinlichen Verlaufes einer febrilen Neutropenie (Tabelle 2).

Tabelle 2: Klinische Faktoren zur Einschätzung des Risikos für einen unkomplizierten Verlauf. 

Parameter

Kontrollierte Grunderkrankung

ECOG-Status 0 oder 1

Milde Krankheitssymptomatik

Ambulanter Patient

Temperatur < 39°C

Unauffälliger Röntgen Thorax

Atemfrequenz < 24/min

Keine COPD

Kein Diabetes mellitus

Unauffälliger neurologischer Status

Kein Blutverlust

Keine Dehydrierung

Keine vorausgegangene Pilzinfektion

Albumin normwertig

Die Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) hat auf der Basis dieser individuellen Faktoren einen Risiko-Score etabliert [4]. Die Gewichtung der einzelnen Faktoren zeigt Tabelle 3.

Tabelle 3: MASCC Score 

Charakteristikum

Gewicht

Belastung durch febrile Neutropenie mit keiner oder geringer Symptomatik

5

Keine Hypotonie (systolischer Blutdruck >90 mmHg)

5

Keine chronisch obstruktive Lungenerkrankung

4

Solider Tumor oder hämatologische Neoplasie ohne vorhergehende Pilzinfektion

4

Keine Dehydration, keine Indikation zur parenteralen Substitution von Flüssigkeit

3

Belastung durch febrile Neutropenie mit moderater Symptomatik

3

Ambulanter Patient

3

Alter <60 Jahre

2

Der maximale erreichbare Punkte-Score liegt bei 26. Die Validierung des Scores ergab, dass Patienten mit einem Score von über 20 (73% der Gesamtgruppe) dem Kollektiv in Standardrisiko zugeordnet werden können. Die Rate an Komplikationen lag bei 6%, die Todesfallrate bei 1%. Patienten mit einem Score von <21 (27% der Gesamtgruppe) hatten in 39% eine komplizierte FN, eine Todesfallrate von 14% und somit ein hohes Risiko für ein ungünstigen Verlauf einer FN.

Der MASCC Score identifiziert somit mit Hilfe einfacher klinischer Parameter Patienten in einem geringen Risiko für eine komplizierte FN. Eine ambulante Versorgung kann deshalb angestrebt werden.

Hierzu müssen jedoch noch weitere Faktoren zur Beschreibung des sozialen Umfeldes und der Compliance geprüft werden, die eine elementare Rolle für eine sichere ambulante Versorgung der febrilen Patientinnen spielen.

Diese Faktoren sind in Tabelle 4 dargestellt.

Tabelle 4: Faktoren zur Abschätzung der Compliance 

Parameter

Medizinische Versorgung ist gewährleistet

Patient ist nicht allein und telefonisch erreichbar

Klinik mit hämatologisch-onkologischer Kompetenz in 1 Stunde erreichbar

Orale Medikation mit hoher Compliance sicher durchführbar

Patient ist bei vollem Bewusstsein und versteht die klinische Situation

Keine Prophylaxe mit Fluorchinolonen

Stabiler Kreislauf gewährleistet

Keine Zeichen eines Organversagens

3[Kapitel nicht relevant]

4[Kapitel nicht relevant]

5Diagnose

5.1[Kapitel nicht relevant]

5.2Diagnostik

Die Diagnostik bei FUO in Neutropenie darf die umgehende Einleitung der empirischen kalkulierten antimikrobiellen Therapie keinesfalls verzögern. Ziel ist der Ausschluss nicht-infektiöser Ursachen von Fieber, Identifikation eines klinischen Fokus und die Einschätzung und Bewertung der systementzündlichen Aktivität. Bei respiratorischer Insuffizienz, neurologischer Einschränkung oder instabiler Kreislaufsituation ist die Übernahme auf eine intermediate care - oder Intensivstation erforderlich.

Häufige klinische Symptome und die oft verantwortlichen Erreger sind in Tabelle 5, die empfohlenen diagnostischen Maßnahmen in Tabelle 6 zusammengefasst.

Tabelle 5: Charakteristische Pathogene und klinisches Bild 

Klinisches Bild

Häufige Erreger

Erythem und/oder Schmerzen am venösen Zugang

Koagulase-negative Staphylokokken

Schleimhautulcera

α-hämolysierende Streptokokken

Candida spp.

einzelne, punktförmige Hautläsionen

Gram-positive Kokken

Candida spp.

Nekrotisierende Hautläsionen

Pseudomonas aeruginosa,

Fadenpilze

Diarrhoe, Meteorismus

Clostridium difficile

Enterokolitis, perianale Läsionen

multiple Erreger, einschl. Anaerobier

Lungeninfiltrate, Sinusitis

Fadenpilze, Pneumocystis jirovecii

Retina-Infiltrate

Candidämie

Tabelle 6: Diagnostik bei Auftreten von Fieber in Neutropenie 

Untersuchung

Empfehlungsgrad und Evidenz

Diagnostische Maßnahmen dürfen den Beginn einer kalkulierten antimikrobiellen Therapie nicht verzögern.

A-IIu

Die sorgfältige klinische Untersuchung soll bei hospitalisierten, febrilen Patienten täglich wiederholt werden.

A-III

Mindestens 2 getrennte Paare (aerob, anaerob) von Blutkulturen sollen vor Beginn der antibiotischen Therapie abgenommen werden. Bei liegendem ZVK soll ein Paar aus der peripheren Vene, ein Paar aus dem ZVK entnommen werden.

A-IIt

Die Erfolgsrate der Blutkulturen kann durch Entnahme von drei Paaren von Blutkulturen gesteigert werden.

B-IIt

Die Bestimmung von Procalcitonin kann zur Abschätzung einer möglichen Bakteriämie erwogen werden

B-IIu

Multiplex PCR basierte Ansätze und NGS ersetzen nicht die Standards in der mikrobiologischen Diagnostik

C-IIu

Für Patienten in hohem Risiko für eine ESBL-Kolonisation und deshalb Indikation zu Therapie mit Carbapenem sind Analabstriche zur Überwachung empfohlen

B-IIu

Bildgebung mit CT-Thorax oder des Abdomens ist bei entsprechender klinischer Symptomatik empfohlen

A-III

Konventionelle Röntgenaufnahmen des Thorax werden nicht empfohlen.

D-I

Bei refraktärem Fieber kann eine PET-CT zum Ausschluss eines Infektfokus und zur De-eskalation der antimikrobiellen Therapie indiziert sein

C-IIu

Die flexible Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage ist indiziert bei Patienten mit Lungeninfiltraten und V.a. auf eine invasive Mykose (IFI).

A-I

 

B-IIu

Eine anamnestisch berichtete Penicillin-Allergie soll nach den PEN-FAST Kriterien evaluiert werden

A-IItu

PENFAST score < 2: oraler Amoxicillin Test möglich

B-IItu

PENFAST scor ≥ 2: spezifische Allergietestung nötig

B-IItu

Tabelle 7: Screening für invasive Mykosen bei Patienten mit hohem Risiko (Neutropenie > 7 Tage) 

Klinisches Bild

Häufige Erreger

Monitoring von Serum-Galactomannan (GM) bei Patienten ohne vorausgehende antimykotische Therapie oder Prophylaxe

A-I

Bestimmung von Galactomannan in bronchoalveolärer Lavage

A-IIu

Kombination von low-dose CT mit CT-Angiographie zum Ausschluss eines „vascular occlusion signs“ bei V.a. invasive Mykose

C-IIu

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Grundsätzlich gilt für die empirische antimikrobielle Therapie bei Fieber in Neutropenie:

  • Es handelt sich um einen hämato-onkologischen Notfall: umgehende Einleitung der Therapie ohne Verzögerung durch Diagnostik verbessert das Überleben

  • Die empirische antiinfektive Therapie sollte gegen Pseudomas aeruginosa wirksam sein

  • Patienten in hohem Risiko für einen komplizierten Verlauf, klinischer Instabilität sowie fraglicher Compliance unabhängig der zu erwartenden Neutropeniedauer sollen unter stationären Bedingungen erstversorgt werden

  • Patienten in Standardrisiko mit niedrigem klinischem Risiko (MASCC-Score ≥ 21) sowie guter Compliance können ambulant behandelt werden

  • Bei Antibiotika-refraktärem Fieber nach 96 Stunden ist die Wiederholung der Diagnostik inklusive einem CT-Thorax indiziert. Die Zweitlinientherapie richtet sich nach klinischem Risiko und Allgemeinzustand sowie dem pulmonalen Befund. Die Ergänzung mit einer empirischen antimykotischen Therapie ist erforderlich

  • Bei Fieberfreiheit über 3 – 5 Tage und klinisch stabiler Situation kann die antimikrobielle Therapie trotz anhaltender Neutropenie beendet werden. Ein engmaschiges tägliches klinisches Monitoring ist dann zwingend erforderlich

6.1.1Erstlinientherapie

6.1.1.1Algorithmus zur empirischen antibiotischen Therapie bei Patienten mit einer Neutropeniedauer von > 7 Tagen

Die Abbildungen 1 und 2 beschreiben den Algorithmus zur empirischen Therapie bei Patienten mit febriler Neutropenie in hohem Risiko. Diese Therapie findet unter stationären Bedingungen statt. Die Beachtung der lokalen Epidemiologie mit Blick auf gehäufte Resistenzen im Gram negativen Erregerspektrum spielt eine herausragende Rolle.

Abbildung 1: Therapie febrile Neutropenie in hohem Risiko 
*eine Kombination mit Aminoglykosid oder Colistin kann bei sehr schwer erkrankten Patienten erwogen werden
Abbildung 2: Zweitlinientherapie der febrilen Neutropenie bei fehlender Entfieberung 
Tabelle 8: Antibakterielle Arzneimittel für die empirische Erstlinientherapie bei Hochrisiko-Patienten 

Empfehlungen

Empfehlungsgrad und Evidenz

Bei Hochrisiko-Patienten sollen Gram-negative Enterobakterien, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Streptokokken erfasst werden.

A-I

Die Behandlung soll umgehend (innerhalb von 2 h) nach Beginn des Fiebers begonnen werden.

A-IIt

Eine orale Prophylaxe mit Fluorochinolonen soll nicht fortgeführt werden.

A-III

Geeignete Arzneimittel für die empirische Erstlinientherapie sind

  • Piperacillin/Tazobactam

  • Imipenem

  • Meropenem

  • Cefepim

A-I

Die Verlängerung der Infusionsdauer von Beta Lactam Antibiotika und Cefepim auf 4 Stunden kann erwogen werden

C-III

Es gibt keine Indikation für eine empirischen Routine Einsatz von Reserve Antibiotika: Ceftazidime/Avibactam, Aztreonam/Avibactam, Ceftolozan/Tazobactam, Imipenem/Relebactam, Meropenem/Vaborbactam, Cefiderocol

Es gibt keine Evidenz für die Überlegenheit von Kombinationstherapien gegenüber einer Monotherapie.

A-IIr

Eine Kombinationstherapie kann bei Sepsis oder schwerem klinischen Verlauf von Infektionen mit multiresistenten Bakterien indiziert sein.

C-III

Eine empirische Kombination mit Vancomycin oder Teicoplanin soll nicht eingesetzt werden.

D-IIr

Eine empirische Kombination mit Linezolid soll nicht eingesetzt werden.

D-III

6.1.1.2Algorithmus zur empirischen antibiotischen Therapie bei Patienten mit einer Neutropeniedauer von ≤ 7 Tagen

Das konsequente Abfragen der Risiko-Checklisten (Tabelle 2 bis 4) führt zu einem Algorithmus zur Identifikation von Patienten mit febriler Neutropenie, die einer ambulante Therapie zugeführt werden können (Abbildung 3).

Abbildung 3: Therapie febrile Neutropenie in Standardrisiko 
Tabelle 9: Antibakterielle Arzneimittel für die empirische Erstlinientherapie bei Standardrisiko-Patienten 

Empfehlungen

Empfehlungsgrad und Evidenz

Bei Standardrisiko-Patienten ohne Einschränkungen wird eine ambulante, orale Antibiotika-Therapie empfohlen.

A-I

Alternative ist eine stationäre Behandlung über 2 Tage, mit Wechsel zur ambulanten Betreuung bei Abklingen des Fiebers und Stabilisierung.

A-I

Geeignete Arzneimittel für die orale, empirische Erstlinientherapie sind

  • Amoxicillin/Clavulansäure, in Kombination mit Ciprofloxacin

  • Moxifloxacin

 

A-I

A-I

Alternativen bei bestätigter Penicillin-Allergie sind

  • Clindamycin in Kombination mit Ciprofloxacin

  • Cefuroxim in Kombination mit Ciprofloxacin

 

B-IIu

B-IIu

Geeignete Arzneimittel für die intravenöse, empirische Erstlinientherapie sind

  • Imipenem

  • Meropenem

  • Cefepim

  • Piperacillin/Tazobactam

 

A-I

A-I

A-I

Die Verlängerung der Infusionsdauer von Beta-Lactam Antibiotika und Cefepim auf 4 Stunden kann erwogen werden

C-III

 

Dauer der antibiotischen Therapie bei Entfieberung ohne Regeneration der Neutrophilen

Bislang war die Fortsetzung der antibiotischen Therapie bis zur Regeneration der Neutrophilen der Therapiestandard, auch wenn die Patienten entfiebert waren und sich ein stabiler klinischer Zustand eingestellt hatte.

Mehrere randomisierte Studien bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen haben jedoch gezeigt, dass eine empirische antibiotische Therapie nach 72 Stunden Fieberfreiheit und Symptomfreiheit gestoppt werden kann, auch wenn die Neutrophilen noch nicht vollständig regeneriert sind. Dies trifft auch für Patienten nach einer Zelltherapie zu. Studiendaten für Patienten mit soliden Tumoren sind allerdings limitiert, deshalb muss diese Strategie bei diesem Kollektiv mit großer Sorgfalt individuell geprüft werden.

CAVE:

Ein engmaschiges klinisches Monitoring der Patienten nach Absetzen der Antibiotika in Neutropenie ist obligat bis zur vollständigen hämatopoetischen Regeneration!

Die umgehende Wiederaufnahme einer antimikrobiellen Therapie bei erneutem Auftreten von Fieber oder von Infekt-Zeichen ist unbedingt zu gewährleisten.

Neutropenische Patienten ohne Entfieberung müssen weiter empirisch bzw. bei nachgewiesenem klinischem oder mikrobiellem Fokus gezielt antibiotisch oder auch antimykotisch behandelt werden.

7Empirische antimykotische Therapie

Für Patienten in hohem Risiko und antibiotikarefraktärem Fieber soll eine empirische antimykotische Therapie erwogen werden. Alternativ ist der präemptive Ansatz: eine antimykotische Therapie wird nur bei positiver Bildgebung oder laborchemischem Monitoring eingeleitet. Dieser Ansatz kann Toxizität und Kosten ohne Kompromittierung von Effektivität reduzieren und sollte in Zukunft präferentiell eingesetzt werden.

Empfehlungen zur antimykotischen Therapie sind in Tabelle 10 zusammengefasst.

Tabelle 10: Antimykotische Arzneimittel bei Hochrisiko-Patienten 

Empfehlungen

Empfehlungsgrad und Evidenz

Bei Standardrisiko-Patienten wird keine empirische antimykotische Therapie empfohlen.

D-III

Bei Hochrisiko-Patienten ohne vorherige antimykotische Prophylaxe wird die Einleitung einer empirischen antimykotischen Therapie empfohlen, wenn das Fieber über >96 h persistiert oder rezidiviert trotz angemessener antibakterieller Therapie.

A-I

Diese Empfehlung gilt auch für Patienten mit vorheriger Itraconazol-Therapie, bei denen keine ausreichenden Serum- oder Plasma-Spiegel erreicht wurden, und bei Patienten, die mit einem Schimmelpilz-unwirksamen Arzneimittel, z. B. Fluconazol, vorbehandelt wurden.

B-IIt

Evidenz und Empfehlungsgrad für die empirische antimykotische Therapie sind:

  • Amphotericin B, liposomal

A-I

  • Caspofungin

A-I

  • Itraconazol i.v.

C-I

  • Micafungin

C-I

  • Voriconazol

B-I

Nicht empfohlen werden:

  • Amphotericin B, Deoxycholat

D-I

  • Amphotericin B, kolloidale Dispersion

D-I

  • Amphotericin B, Lipidkomplex

D-I

Bei klinischer Verschlechterung unter oraler Prophylaxe mit Posaconazol oder Voriconazol wird ein Wechsel auf eine intravenöse, antimykotische Applikation empfohlen.

A-III

8Zusammenfassung

Die febrile Neutropenie ist ein hämato-onkologischer Notfall und die umgehende Einleitung einer empirischen antibiotischen Therapie mit Wirksamkeit gegen Pseudomonas spp. ist unverzichtbar. Das Risiko für die Inzidenz bzw. komplizierte Verläufe ist nicht für alle Patienten gleich. Unter Berücksichtigung von zu erwartender Neutropeniedauer und klinischen Faktoren sind Deeskalationsstrategien möglich. Ein engmaschiges klinisches Monitoring der Patienten während der Therapie als auch nach Absetzen der Maßnahmen bei anhaltender Neutropenie sind die wesentliche Basis für ein erfolgreiches Management der febrilen Neutropenie.

9Literatur

  1. Sandherr M, Stemler, J, Schalk E et al.: 2024 update of the AGIHO guideline on diagnosis and empirical treatment of fever of unknown origin (FUO) in adult neutropenic patients with solid tumours and hematological malignancies. Lancet Reg Health Eur 51:101214, 2025. DOI:10.1016/j.lanepe.2025.101214

  2. Ullmann AJ, Aguado JM, Arikan-Akdagli S, et al.: Diagnosis and management of Aspergillus diseases: executive summary oft he 2017 ESCMID-ECMM-ERS guideline. Clin Microbiol Infect. 24(Suppl 1):e1-e38, 2018. DOI:10.1016/j.cmi.2018.01.002

  3. Heinz WJ, Buchheidt D, Christopeit M et al.: Diagnosis and empirical treatment of fever of unknown origin (FUO) in adult neutropenic patients: guidelines of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society of Hematology and Medical Oncology (DGHO) Ann Hematol 96(11):1775-1792, 2017. DOI:10.1007/s00277-017-3098-3

  4. Klastersky J, Paesmans M, Rubenstein EB et al.: The Multinational Association for Supportive Care in Cancer risk index: a multinational scoring system for identifying low-risk febrile neutropenic cancer patients. J Clin Oncol 18(16):3038–3051, 2000. DOI:10.1200/jco.2000.18.16.3038

10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser

Dr. med. Gernot Beutel
Medizinische Hochschule Hannover
Hämatologie, Hämostaseologie,
Onkologie und Stammzelltransplantation
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
Dr. med. Elena Busch
Universitätsklinikum Heidelberg
Medizinische Klinik (Krehl-Klinik)
Innere Medizin V
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Dr. med. Annika-Yanina Classen
Universitätsklinikum Köln
Klinik I für Innere Medizin
Klinische Infektiologie
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Prof. Dr. med. Oliver A. Cornely
Uniklinik Köln, Klinik I für Innere Med.
Zentrum für Klinische Studien
Infektiologie-Hämatologie-Onkologie
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Dr. med. Noemi Freise
Uniklinikum Düsseldorf
Klinik für Gastroenterologie,
Hepatologie und Infektiologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Dr. med. Tessa Hattenhauer
Uniklinik Bonn
Med. Klinik III
Venusberg-Campus 1
53127 Bonn
Prof. Dr. med. Marcus Hentrich
Rotkreuzklinikum München gGmbH
III. Medizinische Abteilung -
Hämatologie und Onkologie
Nymphenburger Str. 163
80634 München
Dr. med. Larissa Henze
Asklepios Harzklinik Goslar
Medizinische Klinik II
Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin
Kösliner Str. 12
38642 Goslar
Prof. Dr. med. Bernd Hertenstein
Klinikum Bremen-Mitte gGmbH
Medizinische Klinik I
St.-Jürgen-Str. 1
28177 Bremen
Dr. Christian Hohmann
Klinikum Bremen Mitte
Sankt-Jürgen-Str. 1
28205 Bremen
Prof. Dr. med. Meinolf Karthaus
Klinikum Neuperlach
Klinik für Hämatologie und Onkologie
Oskar-Maria-Graf-Ring 51
81737 München
PD Dr. med. Philipp Köhler
Universitätsklinikum Köln
Klinik I für Innere Medizin
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Univ. Prof. Dr. med. Robert Krause
Medizinische Universität Graz
Universitätsklinik für Innere Medizin (UKIM)
Sektion für Infektiologie und Tropenmedizin
Auenbruggerplatz 15
A-8036 Graz
Univ.-Prof. Dr. Cornelia Lass-Flörl
Medizinische Universität Innsbruck
Institut für Hygiene und
Med. Mikrobiologie
Schöpfstr. 41
A-6020 Innsbruck
Dr. med. Sibylle Mellinghoff
Universitätsklinikum Köln
Klinik I für Innere Medizin
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Dr. Rebekka Mispelbaum
Universitätsklinikum Bonn
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Venusberg-Campus 1
53127 Bonn
Dr. med. Julia Neuhann
Universitätsklinikum Köln
Klinik I für Innere Medizin
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Dr. med. Hans Martin Orth
Uniklinikum Düsseldorf
Klinik für Gastroenterologie,
Hepatologie u. Infektiologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Prof. Dr. med. Olaf Penack
Charité - Universitätsmedizin Berlin
CVK: Campus Virchow-Klinikum
CC 14: Tumormedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Prof. Dr. med. Christina Rieger
Hämatologie Onkologie Germering
Landsberger Str. 27
82110 Germering
PD Dr. med. Michael Sandherr
MVZ Penzberg
Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie
Filialpraxis Weilheim
Röntgenstr. 4
82362 Weilheim
Prof. Dr. med. Markus Schaich
Rems-Murr-Klinikum Winnenden
Klinik für Hämatologie und Onkologie
Am Jakobsweg 1
71364 Winnenden
PD Dr. med. habil. Enrico Schalk
Universitätsklinikum Magdeburg
Klinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Prof. Dr. med. Martin Schmidt-Hieber
Medizinische Universität Lausitz - Carl Thiem
2. Med. Klinik
Klinik für Hämatologie und Onkologie
Thiemstr. 111
03048 Cottbus
Prof. Dr. med. Karsten Spiekermann
Klinikum der Universität München
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Campus Großhadern
Marchioninistr. 15
81377 München
Rosanne Sprute
Uniklinik Köln
Klinik I für Innere Medizin
Klinische Infektiologie
50931 Köln
Dr. Jannik Stemler
Universitätsklinikum Köln
Klinik I für Innere Medizin
CECAD Institut für Translationale Forschung
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Prof. Dr. med. Sebastian Voigt
Universitätsklinikum Essen
Institut für Virologie
Virchowstr. 179
45147 Essen
Univ. Prof. Dr. med. Günter Weiss
Medizinische Universität Innsbruck
Dept. für Innere Medizin II
(Infektiologie, Immunologie, Pneumologie, Rheumatologie)
Anichstr. 35
6020 Innsbruck
Prof. Dr. med. Florian Weißinger
Evangelisches Klinikum Bethel gGmbH
Johannesstift
Klinik für Innere Medizin, Hämatologie/Onkologie
und Palliativmedizin
Schildescher Str. 99
33611 Bielefeld

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